Unmoralisch
möchte.«
Margaret lächelte so verschwörerisch, als teilten sie ein kleines Geheimnis, und verschwand wieder in der Küche.
Gale bereitete sich vor. Er ließ ein paar Minuten die Gedanken schweifen, schaute aus dem Fenster, überflog die Schlagzeilen der Star Tribune, die er bereits gelesen hatte, machte es sich dann auf einem Zwanzigerjahresofa bequem und wärmte das Whiskyglas ein wenig in der Hand vor. Er war vollkommen ruhig. So war es immer vor Prozessbeginn. Andere Anwälte wurden in solchen Situationen unruhig und aufgekratzt, Gale hingegen war vollkommen konzentriert. Er spürte, wie sein Puls sich verlangsamte und seine Gedanken sich nach und nach auf das Gesamtbild dessen richteten, was vor ihm lag.
Fünf Minuten später stürmte Dan Erickson in die Bibliothek, ein Lowball-Glas mit einem doppelten Gin in der Hand, in dem die Eiswürfel leise klirrten. Ein paar Tropfen Gin schwappten über den Rand auf den Teppich.
»Hallo, Daniel«, sagte Gale. »Herrje, Sie sehen aber nervös aus.«
Dan blieb stehen und lächelte. »Im Gegenteil, ich kann es kaum erwarten loszulegen. Beim letzten Mal haben Sie mich geschlagen, Archie.«
»Und auch beim Mal davor, wenn ich mich recht entsinne«, erwiderte Gale fröhlich.
»Nun ja, diesmal nicht.«
Dan setzte sich nicht, sondern begann, zwischen dem Fenster und dem offenen Kamin auf und ab zu gehen. Er trug einen dunkelblauen Anzug und glänzende, schwarze Schuhe. Sein blondes Haar war sorgfältig mit Haarspray fixiert. Obwohl er nicht besonders groß war, war er ein gut aussehender, sportlicher Mann, und Gale vermutete, dass er seit Wochen auf die Sonnenbank ging, um einen guten Eindruck auf die Geschworenen zu machen.
»Immerhin hat sich Richterin Kassel bezüglich Nancy Carver bereits auf meine Seite gestellt«, bemerkte Gale.
Dan zuckte die Achseln. Er nahm eine kleine Porzellanfigur vom Kaminsims, drehte sie in den Händen und stellte sie dann wieder zurück. »Nancy Carvers Aussage beruht auf Hörensagen. Mir war von vornherein klar, dass wir sie nicht verwenden können.«
»Das sagen Sie jetzt. Aber das macht die Behauptung, dass Graeme und Rachel miteinander im Bett waren, doch sehr viel weniger plausibel, nicht wahr?«
»Ach, dafür haben wir genug andere Beweise«, sagte Dan. »Sie haben sich da einen wirklich perversen Mandanten angelacht, Archie. Mit diesem Mandat machen Sie sich hier in der Gegend sicher keine Freunde.«
Gale hielt die Nase über sein Whiskyglas und nahm dann einen winzigen Schluck. »Ja, die üblichen Hassbriefe und Morddrohungen habe ich schon bekommen. Irgendwie ironisch, finden Sie nicht, dass die Leute mich umbringen wollen, weil ich einen mutmaßlichen Mörder verteidige?«
»Diesmal sind Sie ja auch wirklich nicht auf der Seite des Guten«, sagte Dan. Er stand jetzt am Fenster und blickte hinunter auf den montäglichen Feierabendverkehr auf der London Road. Dann marschierte er wieder in die Mitte des Raumes.
»Jetzt setzen Sie sich endlich hin, mir wird ja ganz schwindlig.«
Dan lächelte und trommelte mit den Fingern auf seine Jacketttasche. »Warten Sie nur ab, Archie. Warten Sie nur ab.«
»Sie wirken wirklich ausgesprochen zuversichtlich«, bemerkte Gale.
»Weil ich Stoner beim Schlafittchen habe. Das weiß ich. Und Sie wissen es auch.«
»Also, wenn ich Sie wäre, würde ich mir ein paar meiner Zeugen noch mal etwas genauer anschauen. Sie könnten feststellen, dass sie noch ganz andere Geschichten zu erzählen haben.«
Ein Anflug von Besorgnis überzog Dans Miene, wurde aber gleich darauf von einem breiten Grinsen abgelöst. »Sie sind ein schlauer, alter Fuchs. Sie lügen fast so gut wie ich.«
Gale lachte leise. »Aus Ihrem Mund ein großes Kompliment. Nur ist das keine Lüge. Nennen wir es einfach kollegiales Entgegenkommen.«
»Na klar. Hören Sie, Sie können sich winden und krumm legen, so viel Sie wollen. Diesmal entkommen Sie mir nicht. Ihre einzige Chance bestand darin, den Prozess an einen anderen Verhandlungsort zu verlegen, und das ist Ihnen nicht gelungen. Ich brauche Nancy Carver nicht in den Zeugenstand zu rufen, damit sie aussagt, Rachel habe ihr erzählt, sie schlafe mit ihrem Stiefvater. Das wissen die Geschworenen längst. Außerhalb dieses Raumes würde ich das natürlich niemals zugeben.«
»Stimmt.« Gale seufzte. »Die Verlegung des Verhandlungsorts war eine Enttäuschung für mich. Ich vermute, die Richterin weiß, dass der Fall eigentlich hätte verlegt werden müssen, sie wollte ihn
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