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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Freeman
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Rachel Deese und meinem Mandanten spricht, das unglaubliche Foto, das Sie auf seiner Festplatte entdeckt haben. Ist das soweit korrekt?«
    »Das Foto erscheint mir äußerst aufschlussreich«, sagte Stride.
    »Aber nicht nur in einer Hinsicht«, erwiderte Gale. »Und Sie haben doch keine Beweise dafür, dass Mr Stoner das Foto jemals gesehen hat, nicht wahr?«
    »Es befand sich auf seinem Computer.«
    »Ganz richtig. Aber hatte nicht auch Rachel Zugang zu diesem Computer? Sie hätte das Foto doch jederzeit auf Mr Stoners Festplatte speichern können, nicht wahr?«
    »Auch hier haben wir keine Hinweise, die das nahe legen.«
    Gale machte eine abfällige Geste mit seiner großen Hand. »Aber Sie haben auch keine Hinweise, dass es nicht so war. Wer weiß schon, was Teenagern so alles einfällt? Vielleicht wollte sie ihm einen Streich spielen. Vielleicht wollte sie ihn bloßstellen. Vielleicht wollte sie einen Streit zwischen ihrer Mutter und ihrem Stiefvater provozieren. Das können Sie doch nicht genau wissen, oder?«
    »Nein«, sagte Stride.
    »Sagen Sie, Lieutenant, wann wurde das Foto auf Mr Stoners Computer gespeichert?«
    »Laut Dateiverzeichnis am Samstag vor Rachels Verschwinden.«
    »Und wann wurde zum letzten Mal auf die Datei zugegriffen?«, fragte Gale.
    »Am selben Tag.«
    Gale zuckte wie fassungslos zusammen und starrte Stride ungläubig an. Natürlich wusste er genau Bescheid über das Datum der Datei – er hatte ja bereits bei der Vorverhandlung alle Beweisstücke eingesehen. Für die Geschworenen allerdings sah es so aus, als hörte Gale diese schockierende Tatsache gerade zum ersten Mal.
    Er nahm das vergrößerte Foto vom Tisch, zeigte es den Geschworenen noch einmal und ließ ihnen Zeit, Rachels erotische Kraft auf sich wirken zu lassen. »Am selben Tag? Sie behaupten doch, der Mann sei von seiner Stieftochter besessen gewesen, Lieutenant, er habe sich mitten in einer glühenden, verbotenen Affäre mit ihr befunden. Er speichert also dieses Foto auf seinem Computer … und schaut es sich dann niemals an?«
    Gale wedelte mit der Hand, wie um sich Abkühlung zu verschaffen.
    »Bei Gott, Lieutenant, wenn ich dieses Foto auf meinem Computer hätte, würde ich wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zum Arbeiten kommen.«
    Dan Erickson sprang auf. »Einspruch!«
    Gale hob abwehrend die Hände. »Schon gut, ich ziehe das zurück.«
    Dann wandte er sich mit verschmitztem Lächeln wieder an Stride. »Bleiben wir doch realistisch, Lieutenant. Dieses atemberaubende Foto wird auf Mr Stoners Computer gespeichert, und danach bleibt die Datei wochenlang ungeöffnet. Es kann ja sein, dass er sie selbst dort gespeichert hat. Es kann auch sein, dass er über enorme Willenskraft verfügt. Aber ist es nicht die logischste Erklärung, dass er gar nicht wusste, dass sich dieses Foto auf seinem Computer befindet?«

7
    Am zweiten Tag der Verhandlung rief Dan als erste Zeugin Emily Stoner auf.
    Emily trug das dunkle Haar in einem akkuraten, kurzen Bob. Ihre Haut wirkte unter der dicken Schicht Make-up glatt und rosig. Sie trug hellen Lippenstift, eine Perlenkette und passende Ohrringe. Das dunkelblaue Kleid mit weißer Borte am Ausschnitt war offensichtlich neu und schmiegte sich sanft um ihren Körper. Stride hatte den Eindruck, Emily so zu sehen, wie sie noch vor ein paar Jahren gewesen war. An diesem Tag verrieten nur ihre Augen ihr wahres Alter, denn in ihrem Blick lagen, wie schon am Tag zuvor, unverschleierte Erschöpfung und Verzweiflung.
    Emily schlängelte sich aus ihrer Sitzreihe auf den Gang hinaus. Ihre Absätze klapperten auf dem Marmorboden, als sie sich dem Zeugenstand näherte, um ihren Eid zu leisten. Sie sah Graeme nicht an, und Stride fiel auf, dass auch Graeme sie keines Blickes würdigte. Gale bemerkte das ebenfalls, und Stride sah, wie er seinen Mandanten heimlich mit dem Ellbogen anstupste. Graeme hatte immerhin durch falsche Anschuldigungen seine Frau verloren und musste sich angemessen betrübt darüber zeigen.
    Emily nahm im Zeugenstand Platz. Sie sah rasch zu den Geschworenen hinüber, wandte dann aber wieder nervös den Blick ab. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und wirkte attraktiv und Mitleid erregend. Auf Stride allerdings machte sie einen äußerst instabilen Eindruck. Die Ereignisse der letzten paar Monate hatten tiefe Wunden in ihre Seele geschlagen. Stride fragte sich, ob sie nur aus dem Grund keinen weiteren Selbstmordversuch unternommen hatte, weil sie die Gelegenheit wahrnehmen

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