Unmoralisch
wollte, gegen Graeme auszusagen und ihn im Gefängnis zu sehen. Er hoffte inständig, dass es so kommen würde.
»Mrs Stoner, ich weiß, wie schwer das alles für Sie ist«, begann Dan.
Emilys Brust hob sich in einem tiefen Seufzer, und sie schloss für einen Augenblick die Augen. Dann straffte sie die Schultern und wappnete sich dafür zu sagen, was sie zu sagen hatte. Ihre Miene war ernst und entschlossen. »Es geht mir gut, danke«, sagte sie.
»Wie haben Sie Graeme Stoner kennen gelernt?«, fragte Dan.
»Ich war Angestellte bei der Range Bank, als man ihn aus New York als leitenden Manager eingestellt hat. Er war allein stehend, attraktiv und reich, und alle Frauen in der Zweigstelle waren verrückt nach ihm. Ich auch.«
»Hat er sich in irgendeiner Form für Sie interessiert?«
»Nein. Anfangs nicht. Er ging immer an mir vorbei, ohne mich anzusehen, als würde ich gar nicht existieren. Mit den anderen Frauen war es ganz genauso. Er hat uns einfach ignoriert.«
»Und dann?«, fragte Dan.
»Nun, eines Tages kam Rachel in die Bank. Sie hatte ein enges Halternecktop und Hotpants an. Ich habe ihr deswegen Vorhaltungen gemacht, und wir haben uns in der Vorhalle gestritten. Graeme hat uns dort zusammen gesehen, hat aber nichts gesagt. Später am selben Tag allerdings hat er mich gefragt, ob ich mit ihm ausgehen möchte.«
Dan stürzte sich sofort auf diese Information und wiederholte mit lauter Stimme: »Graeme hat sich Ihnen also an dem Tag genähert, an dem er Sie mit Rachel in der Bank gesehen hat?«
»Ja.«
»Nachdem er Sie vorher monatelang ignoriert hatte?«
»Ja.«
»Hatte er Rachel vorher schon einmal mit Ihnen gesehen?«, fragte Dan.
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Rachel kam fast nie in die Bank.«
»Gut. Dann sind Sie also mit ihm ausgegangen. Wie hat Rachel darauf reagiert, dass es wieder einen Mann in Ihrem Leben gab?«
»Sie war sehr nett zu Graeme. Sie hat sogar mit ihm geflirtet.«
»Schließlich haben Sie Graeme geheiratet. Was können Sie uns über die Beziehung zwischen Rachel und Graeme nach Ihrer Eheschließung sagen?«
Emily holte noch einmal tief Luft. »Sie haben viel gemeinsam unternommen, nur zu zweit. Sie sind oft zum Fotografieren in den Wald gegangen und waren stundenlang weg. Graeme hat ihr viel geschenkt, Kleider, CDs, solche Dinge.«
»Und wie ging es Ihnen damit?«
»Anfangs fand ich das noch ganz in Ordnung. Ich war so glücklich, wieder eine richtige Familie zu haben. Aber dann habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen, weil Graeme immer mehr Zeit mit Rachel und immer weniger Zeit mit mir verbrachte. Er wurde sehr distanziert und kalt. Es kam mir vor, als wollte er unsere Beziehung beenden, und ich wusste nicht, warum.«
Dan warf den Geschworenen einen langen Blick zu und fuhr dann mit leiser Stimme fort: »Mrs Stoner, hatten Sie jemals Anlass zu der Vermutung, dass Ihr Mann eine sexuelle Beziehung zu Ihrer Tochter hat?«
Emilys Augen blitzten zornig auf. »Es gab genug Anzeichen dafür. Ich war einfach nur blind. Ich wollte es eben nicht wahrhaben. Aber im Rückblick gab es viele Situationen, in denen ich Verdacht hätte schöpfen müssen.«
»Was zum Beispiel?«
»Nun, einmal war ich einkaufen und habe die Lebensmittel hinten in den Van gepackt. Das war an einem Montag. Graeme und Rachel waren am Tag zuvor wandern gewesen. Da habe ich ein Höschen von Rachel im Wagen gefunden.«
»Was haben Sie daraufhin getan?«, fragte Dan.
»Ich habe Graeme darauf angesprochen. Er sagte, Rachel wäre beim Überqueren eines Gebirgsbachs ausgerutscht und hineingefallen. Sie musste sich umziehen, weil sie nass bis auf die Haut war.«
»Haben Sie auch mit Rachel darüber gesprochen?«
»Nein. Ich habe das Höschen einfach gewaschen und weggeräumt.«
»Haben Sie sonst noch etwas beobachtet?«
»Ein anderes Mal habe ich gesehen, wie sie sich geküsst haben. Ich war schon im Bett und habe gehört, wie Rachel und Graeme nach oben gekommen sind. Rachel hat gekichert. Im Flur war das Licht an, die Tür stand offen, ich habe gehört, wie sie ›Gute Nacht‹ sagte, und dann habe ich gesehen, wie sie ihm die Arme um den Hals gelegt und ihn geküsst hat. Auf den Mund. Und es war kein unschuldiger Kuss.«
»Haben Sie mit Graeme oder mit Rachel darüber gesprochen?«
»Nein. Ich habe getan, als würde ich schlafen. Ich habe es einfach nicht über mich gebracht.«
Dan wartete einen Augenblick, um Emilys Aussagen wirken zu lassen. »Ist die Beziehung zwischen Graeme und
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