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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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über sie beugte.
    Der zweibeinige Saurier war so groß wie ein ganzes Haus, ein einziger drahtiger Muskelberg. Seine kräftigen Hinterbeine glichen pumpenden Kolben aus Knochen und Fleisch, kräftig genug, um eine Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern zu erreichen. Im Gegensatz dazu waren seine Vorderbeinchen kaum mehr als kleine Klauen – dennoch bereit, zuzupacken und nicht wieder loszulassen. Angesichts des übergroßen Kiefers, gefüllt mit Zähnen, welche die Größe und Schärfe von frisch gewetzten Fleischermessern hatten, war auch keine weitere Bewaffnung notwendig. Die kleinen, schwarzen Augen des Riesen – erbarmungslose Punkte, denen man die rohe Wildheit der Urzeit ansah – fixierten die am Boden liegende Geneviève.
    Ulysses packte sie um die Taille und zog sie gerade noch rechtzeitig fort, als sich der riesige Kopf des Sauriers mit weit aufgesperrtem Rachen niedersenkte und die Zähne wie eine Bärenfalle zusammenklappten. Durch die Wucht seiner gierigen Bewegung krachte er gegen den Asphalt, genau dorthin, wo Geneviève noch vor einem Moment gelegen hatte. Die beiden rannten, ihre Beine wurden von reiner Angst angetrieben. Durch die panische Menge konnten sie das reich verzierte Eingangsportal des Zoos erkennen, vor dem Nimrod die Hupe des Silver Phantom betätigte und den Motor auf Touren hielt, um einen zügigen Abgang zu machen. Gerade als sie über die Drehkreuze sprangen, brach eine Herde Apatosaurier durch die Lücke in der Mauer, welche den zerquetschten Waggons zu verdanken war, die nun die Straße außerhalb blockierten.  
    Dann, in weniger als einem Augenzwinkern, erhaschte Ulysses einen Blick auf ein Gesicht in der Menge – ein äußerst ungeliebtes Gesicht, das sein Blut augenblicklich vor Wut zum Kochen brachte – und mit einem Mal begriff er, was hier passierte. Er knallte gegen die Seite des Autos und riss die hintere Wagentür auf. »Da sind wir wohl in eine kleine Schwierigkeit geraten«, keuchte er und schob Geneviève auf den Rücksitz.
    »Erwiesenermaßen, Sir.« Trotz ihrer misslichen Lage war Nimrods Stimme kaum ein Anzeichen von Emotion zu entnehmen.
    »Und ich glaube, ich weiß, wer dafür verantwortlich ist.«
    Ulysses knallte die Tür zu.
    »Was haben Sie vor, Sir?«, rief ihm Nimrod durch das offenstehende Beifahrerfenster zu.
    »Ulysses, steigen Sie in das Auto!«, schrie Geneviève.
    Ulysses blickte zu der aufgeregt fliehenden Menschenmasse hinüber. Ein Einzelner stand wie eine Insel inmitten der panischen Menge, vollständig in Schwarz gekleidet, kahlköpfig, unrasiert. Seine dunklen, stattlichen Gesichtszüge waren von einer dunkelvioletten Narbe durchbrochen, die sein Gesicht mehr oder weniger in zwei Hälften teilte. Die Gestalt starrte zurück, einen grimmigen Ausdruck im Gesicht, die Lippen fest zusammengepresst, die Augen nur mehr zutiefst hasserfüllte Schlitze. Es war ein Gesicht, das in Ulysses’ Vergangenheit gehörte; eines, das wiederzusehen er nicht erwartet hätte, das einem Feind gehörte, bei dem er geglaubt hatte, ihm schon vor langer Zeit ein Ende bereitet zu haben. Das Gesicht gehörte Jago Kane, einem Aufwiegler, Revolutionär und Terroristen.
    Die Gestalt wirbelte plötzlich herum und floh in Richtung der Albany-Street-Station, zu einer der Säulen mit den Aufzügen.
    »Nimrod, schaff Miss Galapagos von hier fort«, befahl Ulysses.
    »Und was ist mit Ihnen, Sir?«
    »Steig in das Auto, bitte!«, flehte ihn Geneviève an und stieß die hintere Tür auf.
    »Das geht nicht«, entgegnete er mit einem fiebrigen Grinsen. »Ich habe einen alten Freund von früher entdeckt, welchem ich auf jeden Fall ›Guten Tag‹ sagen sollte.«
    »Jetzt?«
    »Nun, was du heute kannst besorgen …«, lachte er freudlos und warf die Autotür erneut zu. »Fahr los, Nimrod!«
    Mit quietschenden Reifen flitzte der Silver Phantom die Prince-Albert-Road entlang und ließ dabei nichts als eine Wolke verbrannten Gummis hinter sich zurück. Ulysses hingegen sprintete über die Straße, auf die Aufzugsäule zu und Jago Kane hinterher.
     
     

Kapitel 8
    Oberirdisches Spektakel
     
    Ulysses stürmte aus dem Aufzug und direkt auf den Hauptbahnsteig der Bakerloo-Linie zu. Der Bahnsteig war brechend voll, die Menschen schwirrten verwirrt herum. Einige schrien vor Angst, die meisten versuchten, sich hinter Ulysses in den Fahrstuhl zu drängen, während wiederum andere sich ihren Weg zum Ende der Plattform zu seiner Linken freischubsten. Ulysses reckte seinen Kopf in diese

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