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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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noch nicht infrage kam. Er war sich beinahe sicher, dass Professor Ignatius Galapagos irgendwo in der Hauptstadt frei herumlief.
    So kam es also, dass sich Ulysses nun mit seinem zuverlässigen Hausdiener in den baufälligen Straßen in Southwark und unterhalb des immerwährenden Schattens der direkt darüber hinwegrasenden Überlandbahn wiederfand. Beide Männer hatten sich dunkle, lockere Kleidung übergezogen, weit entfernt von der extravaganten Ausstattung, die Ulysses unter alltäglichen Umständen bevorzugte. Mit ihren schwarzen Rollkragenpullovern und wollenen Mützen – Ulysses hatte sogar auf sein Markenzeichen, den Stock mit dem Blutdiamanten im Griff, verzichtet – glichen die beiden einem Einbrecherpärchen.
    »Viel gibt es hier wahrlich nicht zu sehen, oder Nimrod?«, sagte Ulysses.
    »Nein, Sir.«
    »Sind wir wirklich am richtigen Ort?« Ulysses hatte es geschafft, Professor Galapagos’ Adresse von einer biederen Sekretärin des Museums zu erbetteln, die sich erst als nicht sonderlich hilfreich zu erkennen gab, bis er sie mit seinem unwiderstehlichen Charme konfrontierte.
    »Durchaus, Sir.«
    »Dann sollten wir besser gleich fortfahren, nicht wahr?«
    »Wenn ich kurz etwas deutlich sein dürfte, Sir?«
    »Natürlich, Nimrod. Sei so deutlich, wie du es für richtig hältst.«
    »Warum hat Miss Galapagos diesen Ort bisher nicht erwähnt, Sir?«
    »Ich weiß es nicht, Nimrod. Ich weiß es nicht.«
    »Wie, würden Sie vorschlagen, sollen wir uns Zutritt verschaffen, Sir?«
    »Ich denke, ich überlasse es dir, dieses Problem zu lösen, Nimrod.« Ulysses schenkte seinem Butler ein kurz aufflackerndes teuflisches Grinsen. »Es sollte durchaus im Bereich deiner Kompetenzen liegen.«
    »Wenn Sie mir bitte nachfolgen würden, Sir«, sagte Nimrod und sein affektierter Akzent ließ nicht für eine Sekunde nach.
    Es schien nicht so, als sei an diesem Morgen noch jemand unterwegs, der sie bei ihrem Vorhaben beobachten könnte, als die beiden lässig über die Straße schlenderten, die Front des Hauses passierten und ihr dabei kaum mehr Beachtung als einen flüchtigen Blick schenkten. An der nächstgelegenen engen Gasse jedoch gingen sie blitzschnell in Deckung. Es war dunkel und kalt in diesem schmalen Durchgang. Der mehr als begrenzte Platz zwischen den Balkonen lag wohl für die Sonne außer Reichweite; wenn überhaupt, so bekam er nicht mehr als eine Viertelstunde pro Tag von ihr ab.
    Die Einzigen, die sie bei ihrer dubiosen Aktion beobachteten, waren zwei Ratten, die Nimrod entdeckte, als er ein rußgeschwärztes Schiebefenster mit Gewalt öffnete. Jedoch waren die Tiere lediglich daran interessiert, in den äußerst ungenießbar aussehenden Küchenabfällen in dem Gässchen herum zu wühlen. Mit einem nicht gerade zurückhaltenden Maß an Geächze und Gestöhne schafften es die beiden Männer, sich durch das Fenster und in die dahinterliegende absolute Finsternis des Hauses zu drängen.
    Im Inneren verfaulte das Heim des Professor Galapagos unter einem Leichentuch ewiger Düsternis. Jedweder Fensterladen, jede Jalousie und jeder Vorhang musste hier verschlossen, beziehungsweise zugezogen worden sein. Was es wohl war, das der Professor zu verbergen suchte …? Welche Scheußlichkeiten hier wohl im Namen der evolutionären Biologie und wissenschaftlichen Entwicklung verübt worden waren?
    Das einzige Geräusch war das schwerfällige, dumpfe Ticken einer Standuhr in der Halle. Ein Schauer kroch über Ulysses’ Haut. Das Haus wirkte leer, hohl … tot. Was war hier geschehen? Jedenfalls war es keiner von jenen Orten, von dem er erwartete, dass die zierliche Geneviève in irgendeiner Verbindung zu ihm stand; schließlich hatte sie zugegeben, ihren Vater seit einiger Zeit nicht mehr gesehen zu haben. Ulysses fragte sich, welcher Zeitraum mit ›einige Zeit‹ wohl gemeint war.
    »Ich muss dir sagen, Nimrod, alter Knabe«, zischte Ulysses, und es drang kaum mehr als ein Wispern zwischen seinen Lippen hervor, »dass dieser Ort einen ziemlich gruseligen Eindruck auf mich macht.«
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen, Sir«, gab Nimrod zurück und ließ das gekrümmte Ende der Brechstange auf seinen behandschuhten Handballen klatschen. »Wohin nun?«
    »Ich überprüfe diesen Flur hier. Du siehst dir die obere Etage an«, wies Ulysses ihn an und die beiden trennten sich. Schleichend wie Katzen versuchten sie, sich auf den knarzenden Dielen so geräuschlos wie möglich zu bewegen.
    Ulysses stieß auf ein

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