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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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meiste des stinkenden Wassers floss weiter durch die gekachelten Rohre, doch ein kleiner Strom sprudelte durch das Loch und vermengte sich mit einem zweiten, unterirdischen Wasserverlauf.
    Ulysses verharrte und lauschte. Zuerst konnte er außer dem Rauschen und Brausen des Abwassers gegen die Wände nichts weiter vernehmen, doch dann hörte er ein widerhallendes Geräusch von der anderen Seite des Loches, ein Echo zu dem Rumoren hier auf seiner Seite, welches andeutete, dass die Ausmaße des Raumes dahinter von höhlenartiger Beschaffenheit sein mussten.
    Dann hörte er einen weiteren Laut, der durch die Distanz dumpf an sein Ohr drang. Es klang wie das Klackern einer Maschinerie, ein rhythmisches Trommeln wie von einem mechanischen Herzen.
    Kurz zog er in Betracht, dem Gang hier weiter zu folgen, doch der Abenteurer ihn ihm bestand darauf, den Tunnel hinter der Öffnung zu erkunden. Ohne jegliches Licht, um sich seinen Weg durch den dunklen Gestank zu bahnen, konzentrierte Ulysses sich auf die Echos, die ihn die Distanzen zumindest erahnen ließen.
    Er kletterte durch die halb unterspülte Bruchstelle in der Tunnelwand und sogleich glitt der Boden unter seinen Füßen weg und er musste schwimmen. Das Wasser, das diesen neuen Tunnel füllte, roch alt und abgestanden, doch zu dem stinkenden Gebräu, durch das er bisher hatte waten müssen, glich es lieblichem Rosenwasser.
    Ulysses richtete seine Sinne in dieser ungewohnten Umgebung neu aus, hörte, wie die sich kräuselnden Wellen, die seine Bewegungen auslösten, nur wenige Meter entfernt an diversen Barrieren abprallten. Ganze Teppiche aus lichtabsonderndem Moos wucherten auch hier als unregelmäßige Flecken an den Wänden und der Decke, sodass er allmählich sinnvolle Teile des Puzzles erkennen konnte und wahrnahm, dass der Raum, in welchem er sich nun befand, ungleich größer war als die Passage, aus der er kam. Obwohl der Tunnel geflutet war, lag das Wasser mehr oder weniger bewegungslos da. Ulysses folgte mit kräftigen Kraulbewegungen dem entfernten, rhythmischen Klirren, das wie der widerschallende Tumult einer Fertigungsfabrik klang. Nach einer Biegung im Tunnel wurde das Rumoren der unerbittlich arbeitenden Maschinerie klarer und wurde nun auch von anderen Geräuschkulissen begleitet – dem Pfeifen von Dampf, der unter Druck entwich, dem regelmäßigen dumpfen Aufschlagen eines Hammers, dem Heulen einer Sirene und sogar menschlichen Stimmen.
    Die Geräusche waren nun so nah, dass Ulysses Wortfetzen ausmachen konnte, Bruchstücke von Konversationen zwischen dem lauten Klopfen, Stampfen und Rattern der noch unsichtbaren Produktionsstrecke. 
    Als er die Biegung umrundet hatte, veränderte sich die Architektur des Tunnels merklich, die Decke weitete sich über Ulysses aus und ein länglicher Umriss formte sich in der Düsternis zu seiner Linken. In diesem Moment stießen seine Füße auf Grund. Er glitt auf einem Hindernis aus, das sich unter Wasser befand. Es schien, als wäre der Boden mit Rillen zerfurcht oder … als wären Schienen darauf gesetzt worden.
    Auf einmal fügten sich die Puzzleteile wie von selbst zusammen. Der Vorsprung vor ihm gehörte zu einem Fußweg. Er schob sich durch das Wasser darauf zu und zog sich daran aus der kalten öligen Brühe. Sitzend lauschte er für einen Moment auf das Klick-Klack , welches sowohl von über als auch von unter ihm erklang und fühlte dabei ein leichtes Vibrieren durch den Steinboden. Ulysses streckte eine Hand nach der Wand aus. Die Oberfläche, die seine Fingerspitzen berührten, war eisig und glitschig vor Nässe. Tatsächlich fühlte es sich an wie glasierte Fliesen.
    »Kacheln«, murmelte er zu sich selbst. Nachdem er den Abwasserkanal verlassen hatte, musste er in die alten verlassenen und gefluteten Tunnel der Untergrundbahn gelangt sein. Das erklärte einiges – die zunehmende Größe der Tunnel, das Material, aus welchem sie beschaffen waren. Er saß auf einem Bahnsteig.
    Der Untergrund war vor mehr als sechzig Jahren verlassen worden, seit den Ereignissen, welche als „Königreichs-Vorfall“ bekannt wurden. Die unterirdischen Bahnnetze der Hauptstadt waren im Laufe der Jahre mit dem heute bevorzugten Überlandbahnsystem ersetzt worden. Ulysses hatte geglaubt, dass der Großteil der Tunnelröhren vollständig geflutet worden sei, doch wie sich nun herausstellte, war das wohl nur teilweise der Fall.
    Er kam auf die Füße. Öliges Wasser rann an seinem Körper hinab und aus den Kleidern,

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