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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Green
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vereinigte sich auf der schleimbedeckten Plattform unter den Sohlen seiner durchweichten Schuhe zu Pfützen. Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und strich sich dann das nasse Haar mit schmierigen Fingern aus seinem Gesicht.
    Es hatte ihn in die vergessenen Tunnel des Londoner Untergrundes, einst der Stolz der Nation, verschlagen, angetrieben von dem Echsenbiest, zu dem der vermisste – um nicht zu sagen, der evolutionstechnisch degenerierte – Professor Galapagos mutiert war.
    Was auch immer ihn nun hier, in dem vermutlich verlassenen Labyrinth der unterirdischen Bahnhofsstation erwarten mochte, wirklich unangenehm überraschen konnte es ihn wohl nicht mehr.
    So sah eben die tägliche Arbeit aus, wenn man Ulysses Quicksilver war, Dandy-Abenteurer und Diener Ihrer Majestät.
    »So etwas kann man nicht einmal erfinden«, murmelte er und grinste in sich hinein, trotz des erschreckenden Zustandes, in welchem sich seine Garderobe befand und der Umstände seines derzeitigen Dilemmas.  
    Wie er erkannte, befand sich in der Nähe ein kleiner Seitendurchgang, der zu einem schmalen Treppenaufgang führte. Ein flackernder orangefarbener Schimmer floss von dort oben herab und beleuchtete den obersten Absatz der Treppe. Ulysses blinzelte, seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die ungewohnte Lichtquelle zu gewöhnen. Doch schon bald packte er das rostige Geländer und begann seinen Aufstieg.
     
    Dicht an die glatte gekachelte Wand gepresst, tat Ulysses bedächtig ein paar tiefe Atemzüge und spähte argwöhnisch um die Ecke des Durchganges. Einst mochte dieser Ort ein Gewirr von mit schimmernden Kacheln bedeckten Durchgängen gewesen sein, welche eine prächtige Untergrundbahnhofshalle dargestellt hatten, doch nun war er überfüllt mit Maschinen und in eine Untergrundfabrik verwandelt worden.
    Ulysses blickte auf das gewaltige Fließband hinab, welches auch zu den dampfbetriebenen Mühlen in den Kohleabbaugebieten gepasst hätte. Der ganze Platz war von einem Dunst aus Dampf und dem Rauch von Kohlen überlagert, während das Licht natriumbetriebener Lampen die versmogte Dunkelheit durchbrach, die wie von Nebel verzerrte Schiffslaternen anmuteten. Die Halle wurde vom Lärm und den Erschütterungen der arbeitenden Maschinen durchdrungen.
    Zu Ulysses Linken, am anderen, weit entfernten Ende der Halle, produzierten massive Maschinen – sich wie verrückt drehende Schwungräder, krachende Hämmer und schmetternde Kompressoren – kugelförmige Stahlkästchen, die muschelähnlich aussahen und aus denen Dornen wie von Seeigeln herausragten. Dampf- und uhrwerkbetriebene Automatensklaven zerteilten jede dieser stählernen Kugeln in zwei gleiche Hälften, von denen sie eines der halbkugelförmigen Teile auf scheppernde Förderanlagen hievten. Diese Muschelteile wiederum fuhren mittels der Fließbänder an weiteren Roboterdrohnen vorbei, welche ihrerseits irgendetwas darin anbrachten. Die Luft war dick von schmierigem Öl und heißem Metall, einhergehend mit einem alles durchdringenden scharfen chemischen Geruch.
    Weiter entfernt, im Schatten eines breiten Torbogens und am Ende des unerschöpflichen Fließbandmonsters, bauten noch mehr Drohnen die beiden Hälften der Metallkörper wieder zusammen, von wo aus sie durch einen Seitengang in fahrbare Gerüste eingespannt und fortgebracht wurden.
    Durch den Dunst konnte Ulysses eine an der Wand angebrachte verrostete Beschilderung ausmachen, welche die Station benannte, an der er sich nun befand: Waterloo. Irgendwie war es leider allzu treffend.
    Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass er auf eine Bombenfabrik gestoßen war. Wie lange mochte man hier schon seinen Geschäften nachgehen, verborgen vor den neugierigen Augen der Welt dort oben?
    Zwischen den Maschinen wuselten unzählige Arbeitssklaven herum, sodass die Maschinen ungehindert ihrer Tätigkeit nachgehen konnten. Diese Hilfskräfte gehörten zum absoluten Abschaum der Gesellschaft, welche sogar die Bettler auf den Straßen weiter oben glücklich aussehen ließen. Sicherlich waren diese Höhlenbewohner einmal menschlich gewesen, jedoch hatten sie nunmehr entstellte Körper, über und über mit schrecklichen Mutationen versehen. Sie alle trugen dieselben formlosen Overalls und torkelten mit aneinander geketteten Fußknöcheln unbeholfen über den Platz. Sie waren Gefangene, dazu getrieben, eine Arbeit zu verrichten, die wahrscheinlich sogar für Automaten zu niederschwellig war. Keiner von diesen Kameraden

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