Unnatural History

Stirnrunzeln flackerte kurz über das Gesicht des Gefangenen und dann, mit einer Stimme, ebenso emotionsneutral wie seine Mimik, gab ›The Shark‹ Antwort: »Ja, Dr. Wilde.«
    Die Versammlung schnappte erneut nach Luft.
    »Durch die Benutzung dieser handlichen Fernsteuerung ist es mir nun möglich, Mr. McCabe zu jeder Handlung zu zwingen, die ich von ihm wünsche. Natürlich ist es einfacher, die weniger ausgeprägten Gehirne zu steuern. Unsere ersten Versuche mit Hunden und Affen ebneten uns den Weg, um die Verfeinerung der Gehirnkontrolle auch für den Gebrauch bei Menschen geeignet zu machen. Bei einigen der geistig zurückgebliebenen Subjekte hatte sich herausgestellt, dass sie weitaus empfänglicher für diese Kontrolle sind. Und glauben Sie mir, Ladies und Gentlemen, an einem Ort, bis obenhin vollgestopft mit zurückgebliebenen Ganoven, abnormalen Messerstechern und psychotischen Mördern mangelt es beileibe nicht daran.«
    Nervöses Lachen ging durch die Gruppe.
    »Ich glaube es einfach nicht!«, murmelte ein rundlicher Industrieller, der seinen Kopf skeptisch schüttelte und dabei vor lauter Unwohlsein erschauderte.
    »Glauben Sie es ruhig, Sir«, konterte Wilde. »Lassen Sie mich es Ihnen beweisen. Welches Kunststückchen soll Mr. McCabe Ihnen vorführen?«
    Mit einigen Ohs und Ahs nahmen die zusammengepferchten Voyeure zur Kenntnis, dass nun sie am Zuge waren.
    »Lassen Sie ihn doch ›Mary had a little Lamb‹ rezitieren«, erklang eine Stimme aus dem hinteren Teil der Gruppe.
    »Sehr gern.« Der Doktor wandte sich seinem gefügigen Subjekt zu. »Mr. McCabe, ist Ihnen das Kindergedicht ›Mary had a little Lamb‹ bekannt?«
    »Ja, Dr. Wilde.«
    »Dann sagen Sie es bitte für unsere Gäste auf.«
    »Mary had a little lamb, its fleece was white as snow«, leierte McCabe den Vers herunter, sein schottischer Akzent war monoton und bar jeglicher Gefühlsregung, »and everywhere that Mary went, the Lamb was sure to go.«
    »Sehr schön, Mr. McCabe.«
    Höflich spendete die Besuchergruppe Applaus.
    »Lassen Sie ihn auf einem Bein stehen«, schlug ein anderer Mann vor.
    »Mit Vergnügen, doch zuerst sollten wir ihn von seinen Fesseln befreien.« Dr. Wilde wies auf die Gurte.
    Zögerliches Gemurmel wurde laut, als die Gruppe ihre Unsicherheit bezüglich dieses Vorschlages kundtat, und einige von ihnen wichen einen Schritt zurück, als Wilde seinen Assistenten anwies, die Schnallen zu lösen.
    »Sind Sie sich dessen auch sicher?«, zischte Colesworth, der plötzlich wieder an Wildes Seite stand.
    »Aber natürlich bin ich das, Governor. Haben Sie Vertrauen.«
    Colesworth schluckte hart, trat ebenfalls einen Schritt zurück und rang sorgenvoll die Hände.
    Ein Ledergurt nach dem anderen wurde gelöst. Die Assistenten des Doktors traten beiseite, Gefängnispfleger nahmen ihre Plätze ein und hielten ihre Elektrostäbe bereit, nur für den Fall der Fälle. McCabe stand einfach nur da, einen guten Kopf größer als jeder andere im Raum, sein massiger Ringkämpferkörper war schrecklich anzusehen.
    »Mr. McCabe«, sagte Wilde, drehte eine Scheibe an seinem Kontrollkästchen und legte einen weiteren Schalter um, »wenn Sie so freundlich wären und sich auf ein Bein stellen würden.«
    Roboterartig hob der Gefangene ein Bein, sodass er auf dem anderen die Balance halten musste.
    Nun folgte von den überaus beeindruckten Investoren ein Vorschlag nach dem anderen. Sie sahen begeistert zu, wie der Kannibale und Serienmörder mit einer Hand seinen Bauch rieb, während er zugleich mit der anderen auf seinen Kopf klopfte, wie ein Kind das ABC aufsagte und die Farce mit einer fragwürdigen Interpretation von ›I´m a little Teapot‹ beendete. Während dieser ganzen Zeit glich ›The Shark‹ einem zahmen Haustier.
    Unvermittelt brandete Applaus unter den Investoren auf. Colesworth strahlte wie die Grinsekatze höchstpersönlich. Dr. Wilde, eine Augenbraue anerkennend gehoben, beendete seine Vorstellung.
    »Ich danke Ihnen, danke«, sagte Wilde, verneigte sich und schwelgte noch ein wenig in der Beweihräucherung seiner Gäste. »Wenn Sie mich nun entschuldigen würden, ich habe noch jede Menge Arbeit vor mir.«
    Die Show war vorbei und Colesworth war sich sicher, die Investoren gefunden zu haben, nach denen er so lange gesucht hatte. Der Zirkusdirektor verabschiedete sich von seinen Zuhörern. Die Gesellschaft verließ das klinisch weiße Labor und der Governor fragte in die Runde, ob denn einer seiner hochgeschätzten