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Unpopuläre Betrachtungen (German Edition)

Unpopuläre Betrachtungen (German Edition)

Titel: Unpopuläre Betrachtungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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Banditen unsicher gemachte Passhöhe gelangte. Die nächste Touristengesellschaft hingegen wurde überfallen und ausgeraubt; einige der Reisenden verloren sogar ihr Leben. Als Borrow davon erfuhr, machte er es wie der Vikar Toplady; er dankte Gott aus vollem Herzen für seine weise Führung.
    Obwohl unsere Lehrbücher schon seit langem auf den Erkenntnissen des Kopernikus fußen, sind Religion und Moral von diesen neuen astronomischen Theorien unberührt geblieben; nicht einmal den Glauben an die Astrologie vermochten sie zu zerstören. Nach wie vor sind die Menschen überzeugt, dass der göttliche Weltenplan mit besonderer Rücksicht auf den Menschen entworfen wurde und dass eine gerechte Vorsehung für die Belohnung der Guten und für die Bestrafung der Bösen sorgt.
    Ich bin zuweilen recht entsetzt über die Gotteslästerungen aus dem Munde von »frommen« Menschen. Wenn man zum Beispiel die Nonnen fragt, warum sie sich sogar in der Badewanne nicht völlig auskleiden, obwohl sie doch dort ganz unbeobachtet seien, antworten sie mit sanftem Vorwurf »Sie vergessen den lieben Gott!« Sie scheinen sich also Gott als eine Art Voyeur vorzustellen, der kraft seiner Allmacht durch die Badezimmerwände späht, dessen vorwitzige Absichten sich aber mit einem Badekostüm durchkreuzen lassen.
    Überhaupt hat der Begriff »Sünde« für mich etwas ungemein Verwirrendes – wahrscheinlich, weil ich von Natur sündhaft bin. Was ist Sünde? Wenn man mir antwortete: »Das Verursachen unnötiger Leiden«, so wäre ich damit einverstanden. Tatsächlich aber wird häufig gerade das Gegenteil, also die Verhütung unnötiger Leiden, als »Sünde« ausgelegt.
    Vor einigen Jahren wurde im englischen Oberhaus ein Gesetzesentwurf zur Legalisierung der Euthanasie bei besonders schmerzhaften und nachgewiesenermaßen unheilbaren Krankheiten eingebracht. Der Antrag bezeichnete die Zustimmung des Patienten und ärztliche Gutachten von verschiedenen Seiten als unerlässliche Voraussetzung eines solchen Gesetzes. Dass man in diesem Falle die Entscheidung dem Patienten überlassen müsse, erschien mir in meiner Einfalt ganz selbstverständlich. Der damalige Erzbischof von Canterbury, Englands amtlicher Sündenexperte, legte jedoch das Irrige einer solchen Auffassung dar. Die Einwilligung des Patienten mache die Euthanasie zum Selbstmord, erklärte er, und Selbstmord sei Sünde. Die versammelten Lordschaften hörten auf die Stimme des Fachmannes und lehnten den Gesetzesentwurf ab. Und so müssen die Krebskranken dem Erzbischof und seinem Gott zuliebe weiterhin Monate der qualvollsten Agonie durchstehen, es sei denn, ihre Ärzte oder Schwestern haben sich so viel menschliches Mitempfinden bewahrt, dass sie auch eine Mordanklage auf sich nehmen. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gott Freude empfindet, wenn er seine hilflosen Geschöpfe unnütz leiden sieht. Und wenn es eine Gottheit von so grenzenloser Grausamkeit gäbe, würde ich sie ganz gewiss nicht für anbetungswürdig halten. Aber das beweist eben nur, wie tief ich in moralischer Hinsicht gesunken bin.
    Ebenso unklar erscheint mir, was nun Sünde ist und was nicht. Als der englische Tierschutzverein den Papst um seine Unterstützung bat, lehnte er dies ab mit der Begründung, dass der Mensch den niederen Tieren gegenüber keine Verpflichtungen habe und dass die Misshandlung von Tieren nicht als Sünde anzusprechen sei. Denn Tiere haben keine Seele. Andererseits gilt es als Sünde, wenn ein Mann die Schwester seiner verstorbenen Frau heiraten möchte, auch wenn beide Teile die Heirat ersehnen. Nicht etwa weil Schwager und Schwägerin in einer ehelichen Verbindung unglücklich werden könnten, sondern weil gewisse Bibelstellen es verbieten.
    Das Dogma von der Wiederauferstehung hat die sonderbarsten Konsequenzen. Vor nicht allzu langer Zeit errechnete ein Schriftsteller auf höchst originelle Weise das genaue Datum des Weltendes. Er ging von dem Gedanken aus, dass die für den menschlichen Körper unerlässlichen Aufbaustoffe in genügender Menge vorhanden sein müssen, solle am Jüngsten Tage jedermann mit dem Nötigen ausgestattet sein. Nach sorgfältiger Bestandsaufnahme der verfügbaren Rohstoffmengen gelang es ihm, den Tag festzustellen, an dem alles Vorhandene aufgebraucht sein würde. Am gleichen Tage müsste es nach seiner Auffassung mit der Welt zu Ende sein, da andernfalls eine leibliche Auferstehung unmöglich wäre. Unglücklicherweise ist mir das Datum entfallen,

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