Unscheinbar
führt in eine Sackgasse." Ben fuhr sich ungestüm mit der Hand durchs Haar. "Vielleicht hast du Recht und wir sollten uns zusammenreissen, aber mal ehrlich, kann sich irgendeiner von uns im Augenblick anständig konzentrieren? Also ich kann’s nicht. Ich muss mein Gehirn lüften, sonst geht gar nichts. Und das werde ich auch tun. Es kann mitkommen, wer möchte. Ist freiwillig.“
„Ich kann dich sowieso nicht aufhalten. Aber bitte, misch dich zumindest unter Menschen, ja?“ Ihre Besorgnis konnte Alice nicht verbergen.
„Mama, nach allem was war, denkst du wirklich, ich würde mich an einsame Plätze begeben?“
„Bei dir weiss man nie.“
„Danke für dein Vertrauen, Mutter.“ Die Augen funkelten verschmitzt und Alice musste unweigerlich nachgeben. Sie brachte sogar ein Lächeln zustande.
„Nun gut. Ich werde meinen Schädel von hier aus durchpusten.“
„Sehr schön. Ich darf nicht alleine sein, aber du willst hier bleiben, wo kein anderer Mensch ist?“
Alice wog kurz die Argumente ab und kam zum Schluss, dass keines taugte. Ben hatte Recht. Natürlich. Dennoch versuchte sie es. „Er hat es nicht auf mich abgesehen.“
„Das weisst du nicht.“
„Die Attacken gingen nur dann los, wenn einer von euch da war. So auch das Feuer im Schuppen. Ich nehme an, du spielst darauf an, oder?“
Das stimmte allerdings. Dennoch.
„Du bleibst mir hier nicht allein. Basta. Ausserdem hat sich Emma noch nicht geäussert. Wenn sie ebenfalls hier bleiben möchte, dann hast du einen von den Unglücksraben bei dir.“
„Stimmt. Und wenn wir doch alle hier bleiben? Als Trio im Haupthaus wurden wir bisher jedenfalls verschont.“
„Dass das so bleibt, möchte ich auch unbedingt glauben. Aber mir fällt die Decke auf den Kopf.“
„Mir auch“, meldete sich Emma endlich zu Wort. „Wenn du es schaffst, dass ich an etwas anderes denke als an dieses Theater, hast du was gut.“
Diese Herausforderung ging an Ben. Und er nahm sie an.
„In Ordnung. Versuchen wir’s. Mama, ich will, dass du zu Mara gehst. In drei Stunden treffen wir uns wieder hier.“
Seltsame Rollenverteilung.
Aber schliesslich gab Alice ihren Protest auf. Sie musste einsehen, dass er genau das von ihr verlangte, was sie ebenso von ihm verlangt hätte, wäre die Situation umgekehrt.
Strang 1 / Kapitel 31
Alle gingen ihrer Wege. Emma marschierte zielsicher in die Waschküche, wo ihre inzwischen trockenen Kleider hingen, Ben ging in sein Zimmer und Alice in ihr Badezimmer.
Das Frühstück blieb, wo es war. Fast unberührt auf dem hübschen Esstisch.
Es dauerte nur eine knappe halbe Stunde, bis die drei sich vor dem Haus wieder trafen. Unter Mahnungen zur Vorsicht wandte sich jeder seinem Fahrzeug zu.
Alice startete den Motor ihres Wagens. Ben liess das Motorrad aufheulen. Mit Emma hinter sich brauste er am Auto vorbei und fuhr aus der Einfahrt auf die Strasse.
Ben hatte die Wette bereits gewonnen. Nur wusste er noch nichts davon.
Das Surren des Motors. Die Kurven. Die Bewegung. Die Geschwindigkeit. Die Landschaft, die vorbei rauschte. Die Freiheit. Der Wind schien Emma im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf leer zu fegen.
Allmählich entspannte sie sich. In voller Fahrt. Auf einem Motorrad.
Noch vor ein paar Tagen wäre das für Emma völlig undenkbar gewesen.
Sie hätte Ben am liebsten angewiesen, einfach weiterzufahren. Aber sie liess es bleiben.
Als Emma sich das nächste Mal umsah, steuerte Ben das Motorrad an beeindruckenden Wassermassen vorbei, die über Felsen hinweg Richtung Tal hinunterstürzten. Der Weg führte bergan, bis zu einem Restaurant. Dort stellte Ben die Maschine auf einem Parkplatz ab. Emma hüpfte vom Motorrad. Ben tat es ihr nach, nur etwas eleganter. Er zog den Helm aus, schüttelte seinen Kopf und brachte damit Emma zum Lächeln.
„Was ist?“ Verwundert sah er sie an.
„Aus welchem Werbefilm kommst du? Drei Wetter Taft? Die Frisur sitzt? Oder eher aus einem Film über Hundewaschsalons? Der nasse Welpe schüttelt sein Fell aus, der Besitzer tut es ihm nach. Hundewaschsalon, tut nicht nur dem Vierbeiner gut.“
„Du leidest eindeutig unter Nahrungsmangel. Wir peppen jetzt erst einmal deinen Zuckerhaushalt auf, dann reden wir nochmal über deine wirren Ideen.“
Freundschaftlich legte er den Arm um ihren Hals, nahm sie neckisch in den Schwitzkasten und zog sie mit, in Richtung Restaurant.
„Die sind nicht wirr! So, wie du gerade dein Haar ausgeschüttelt hast, würden Wella und Co. sich um
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