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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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ein schwarzes Fellknäuel fauchend aus der dunklen Ecke herausschoss. Direkt auf Ben zu. Der drehte sich ab um dem Angriff auszuweichen, prallte dabei gegen das daneben liegende Regal, welches heftig ins Schwanken geriet. Durch die Bewegung stürzte eine der obersten Kartonkisten herunter. Der ganze Inhalt ergoss sich auf dem Boden vor Bens Füssen. Verärgert biss er die Zähne zusammen. Langsam sah er auf. Das Bild, das sich ihm bot, verärgerte ihn nur noch mehr. Jolly stand mit einem friedlich schnurrenden, schwarzen Fellknäuel im Arm im Garageneingang und drückte ihre Nase in das glänzende Schwarz, während sie ihn mit unschuldigen, grossen Augen anblinzelte.
    Ben suchte nach seiner Beherrschung. „Erklärung?“
    Sofort setzte Jolly eifrig an. „Das ist eben sein Instinkt! Er jagt doch so gerne!“
    „Sein Instinkt? Was ist er? Automechaniker?“
    Jetzt zauberte Jolly wieder ihr verführerisches Lächeln auf ihr niedliches Gesicht, das sie jeden Tag intensiv vor dem Spiegel probte. „Ich kann ihn verstehen. Es ist eben schön hier.“
    „Du machst doch nicht etwa schon wieder deinen über dreissigjährigen Nachbarn an. Hast du denn niemanden in deinem Alter?“
    „Die sind doch alle so unerfahren!“
    „Richtig. So wie du. Ein pupertierendes Mädel, das halb so alt ist, wie ich es bin.“
    „Aber ich bin doch schon älter geworden!“
    „Wie? Seit vorgestern? Klar, zwei Tage machen den Unterschied. Nein, Kleine, du bist einfach nicht meine Liga.“
    „Stimmt. Aber ich.“
    Ben holte tief Luft. Sein Nervenkostüm wurde dünner und dünner. „Tag, Carmen.“
    Eine schlanke Frau mit platinblondem Haar stöckelte auf Highheels zu Jolly. Sicher, es gab Männer, die solche Frauen attraktiv fanden, für Ben war sie einfach nur überstylt. Die knallenge weisse Markenjeans, der ebenso weisse Blazer und das glitzernde Top, das vor lauter Ausschnitt nur noch knapp unter dem Blazer zu erkennen war, war für einen normalen Mittwochabend um fünf einfach zuviel. Mal ganz abgesehen von dem Würstchen auf Beinen, das sie an der Leine führte. Die grosse Sonnenbrille in ihrem Gesicht verdeckte wenigstens diesen tiefschwarzen Unfall künstlicher Wimpern. Wo waren bloss die Zeiten hin, in denen ein Mann in Ruhe an seinem Lieblingsoldtimer rumbasteln konnte?
    „Du siehst“, Ben zögerte, „erschlagend aus.“
    Carmens Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. „Danke.“
    Und das meinte sie so. Ben konnte es nicht fassen.
    „Meine Damen, wenn ihr mich entschuldigen würdet, ich habe noch zu tun.“ Ohne ein weiteres Wort ging er zu einer Schaltvorrichtung an der rechten Wand, direkt neben der Werkbank und bediente den roten Knopf. Erst konnte man ein Knacken vernehmen, das in ein leises Summen überging. Mit ausdrucksloser Miene hielt er den Blick auf die Platinblondine, den pubertierenden Teenie und die Katze in dessen Arm gerichtet und beobachtete mit Genugtuung, wie erst die Gesichter, dann die Oberkörper und schlussendlich die Beine mitsamt Füssen langsam hinter dem sich schliessenden Garagentor verschwanden. Nach einem kaum hörbaren Klacken atmete Ben auf. Das Tor war geschlossen und verriegelt. Erst jetzt wagte er es, dem Tor und allem, was sich dahinter befand den Rücken zu kehren.
    Verwundert betrachtete er den Schraubenschlüssel in seiner linken Hand. Er hielt ihn so fest umklammert, dass die Knöchel weiss hervortraten. Wie es schien, hatte er ihn unbewusst als Rettungsanker und Wutableiter missbraucht. Sorgsam steckte er ihn in den dafür vorgesehenen Clip an der Wand oberhalb der Werkbank. Dann trat er zu der heruntergestürzten Schachtel. Natürlich war der Karton auf die Seite gekracht und der Deckel aufgesprungen. Mit einem Seufzer ging Ben in die Knie. Er hatte Mühe, sich an diese Kiste zu erinnern. Willkürlich griff er nach dem erstbesten Gegenstand. Von hinten sah es aus wie ein einfaches Stück Papier. Als er es umdrehte, stellte er fest, dass es sich um ein altes Foto handelte. Darauf abgebildet waren zwei glücklich lächelnde Frauen, die sich in den Armen hielten. Die eine war Bens Mutter, die andere war eine Frau namens Sandrine. Im Hintergrund strahlte ein prachtvolles Bauernhaus, eingebettet in eine verträumte Bergwelt, mit den Frauen um die Wette. Und obwohl es den Anschein hatte, gehörten die beiden Frauen nicht wirklich zu diesem heiter wirkenden Stück Land. Sandrine, eine Internatsschülerin, die eher zufällig auf den Hof getroffen war und immer wieder dorthin

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