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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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sicheren Unfallschutz glich, vom Kopf, schüttelte sich das Haar aus und stieg ebenfalls ab. Sofort wollte er sich daran machen, den Koffer abzunehmen, aber Sandrine stellte sich ihm in den Weg.
    „Danke, dass du mich abgeholt hast.“
    Gregor wich ihrem Blick und dem Körperkontakt gekonnt aus. Ohne aufzusehen versuchte er die Gummispanner zu lösen.
    Über seine Reaktion lächelnd lehnte sich Sandrine an die Maschine. Sie griff nach einer ihrer blonden Locken und zwirbelte sie um ihren Zeigefinger.
    „Warum kannst du mir nicht in die Augen sehen?“
    Gregor zuckte zusammen. Er vergass immer wieder, wie ehrlich und direkt sie sein konnte. Oder verdrängte er es einfach?
    Den Kopf über seine Beschäftigung gebeugt, werkelte er betont konzentriert am Koffer herum. Aber Sandrine bog ihren schlanken Körper einfach etwas weiter nach hinten, schob ihren Kopf so nahe es ging zum Koffer und blinzelte Gregor keck von unten herauf an.
    Da war es wieder, dieses Ziehen in seinem Magen. Sie war zu nahe. Sie durfte nicht noch näher an ihn heranrücken, sonst konnte er für nichts mehr garantieren.
    Er liess vom Koffer ab und wich ihr aus.
    „Himmel, du bist echt anstrengend! Nun gut, dann lassen wir das.“ Sandrine schubste Gregor noch ein wenig weiter zur Seite, damit sie an den festgezurrten Koffer herankam. „Es ist wohl besser, wenn ich das selbst mache. Sonst bekomme ich meinen Koffer wohl nie und deine Mutter würde ganz schön staunen, wenn ich mit dem ganzen Motorrad ins Zimmer ginge, nicht?“ Sandrine lächelte ihr unbeschwertes Lächeln. Dasjenige, bei dem die Augen nur so funkelten.
    Gregor schluckte schwer. „Apropos Mutter, wir müssen langsam los. Sie fragt sich sicher schon, wo wir solange abbleiben.“
    Ein kleines Schnippen mit Zeigefinger und Daumen und das Spanngurtengewirr war im Nu gelöst. Kopfschüttelnd schnappte sich Sandrine ihren Koffer. Mit einigen Schritten Abstand schlenderte sie hinter Gregor her. Von der Werkstatt mit der anschliessenden Garage weg, über den Platz, den Weg zwischen den Bäumen hinauf, vorbei an den vielen Nebengebäuden des Hofes. Das Haupthaus erschien wenige Wegbiegungen weiter. Stolz, schier unzerstörbar, thronte der mächtige, hölzerne Bau mit dem grauen Steinsockel auf dem weitläufigen Platz. Alles strotzte vor Leben. Hühner rannten frei umher, die zwei Hausschweine grunzten friedlich im Stall, die Haushaltshilfe hastete beladen mit einem grossen Korb unter dem Arm Ruths Ruf folgend vorbei und der schwere Duft nach Honiggebäck durchmischt mit einem Hauch Stallgeruch hing in der Luft. Und als Tüpfelchen auf dem I leuchteten die roten Geranien, die in ihren Blumenkästen jedes Fenster zierten mit der Sonne um die Wette.
    Am Ende des Weges blieb Sandrine stehen und atmete nicht nur den Geruch ein. Sie sog die ganze Atmosphäre in sich auf.
    Hier fühlte sie sich zu Hause. Obwohl sie kein Teil der Familie war, war sie von Anfang an so behandelt worden. Ein Gefühl, das sie von ihrer eigenen Familie nicht kannte.
    Ihre Eltern kamen aus dem Unterland und führten ein Jetsetleben. Ihre Tochter war kaum interessant. So wurde Sandrine auch auf ein Internat geschickt. Während eines Ausflugs besuchten die Schülerinnen die Alpkäserei der Reichs. Als grosses Abenteuer hatte man dann für die Nacht das Strohlager gebucht, wo die Schülerinnen von Sandrines Klasse allesamt unter dem Argusauge ihrer Lehrerin übernachteten. Die drei Jungs des Gutes hatte man während dieser Zeit förmlich weggesperrt. Als die Sommerferien begannen, wurde auf einmal Sandrine alleine bei den Kühen auf der Weide gesichtet. Natürlich hatte man nachgefragt, weshalb sie nicht zuhause sei. Die Antwort war ernüchternd. Sandrines Eltern hatten den Ferienbeginn vergessen und bis sie ihre Tochter abholten, musste sie im Internat bleiben, von wo sie aber kurzerhand ausgerissen war und dorthin zurückkehrte, wo sie sich am wohlsten gefühlt hatte. Auf den Reichhof. Seither verbrachte sie dort soviel Zeit wie sie konnte.
     
    „Sandrine!“ Ruth sah aus dem Küchenfenster. „Endlich seid ihr da! Komm schnell rein!“
    Erfreut sah Sandrine auf. Man musste diesen Ort und diese Menschen einfach lieben.
    Ohne weiter nachzudenken rannte Sandrine los. Vorbei an Gregor, der ihr schwermütig nachsah.
    „Sag es ihr.“
    Gregor zuckte zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass jemand hinter ihn getreten war.
    „Was sagen?“
    „Muss ich dir das wirklich vorkauen? Mein lieber Bruder, dich hat es voll erwischt

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