Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
Vom Netzwerk:
zur Zehenspitze. Unweigerlich musste sie lächeln, versuchte es aber zu unterdrücken. Erfolglos.
    „Ich werde jetzt gehen“, kündete sie an. „Und du tust das am besten auch. Es fiel mir reichlich schwer, die gewisse Kurve zu ignorieren, als ich vorhin daran vorbei kam. Aber das schaff ich kein zweites Mal. Ich muss mir das kurz ansehen.“
    Auf Bens warnenden Blick hin, fuhr sie schnell fort: „Vom Auto aus. Nur vom Auto aus. Aber es wäre mir wohler, wenn ich dich in der Nähe wüsste.“
    Mit grossen Augen sah sie ihn an. Man konnte förmlich spüren, wie sein Widerstand sich in Luft auflöste.
     
    Emma klammerte sich an das Steuer des Fords, als sie das unwegsamere Gelände hinter sich gelassen hatte und auf die Strasse einbog, die ihr noch am Tag zuvor zum Verhängnis geworden war. Stur behielt sie die Tachonadel im Auge. Immer darauf bedacht, fünf Stundenkilometer weniger zu fahren als erlaubt war.
     
    Da kamen sie ja. Sie kamen tatsächlich beide zusammen zurück. Und dann fuhr sie noch so langsam. Sie machte es ihm wirklich einfach.
    Er brachte sich in Position und drückte den Knopf.
     
    Ein Donnern durchbrach die Stille.
    Emma trat mit aller Kraft auf die Bremse. Mit quietschenden Reifen kam der Ford nach wenigen Metern zum Stehen. Inständig hoffte sie, Ben würde schnell genug reagieren. Sie warf einen kurzen Blick in den Rückspiele und konnte gerade noch beobachten, wie sein Hinterrad ins Schlingern kam. Doch dann stand das Motorrad unbeschadet still.
    Der erste Brocken landete unweit von der Motorhaube entfernt. Immer mehr Geröll donnerte den Abhang hinunter und krachte auf die Strasse.
    Noch immer hielt Emma das Lenkrad umklammert. Starr sass sie im Wagen und beobachtete fassungslos das Geschehen.
    Da flog die Fahrertür auf. Im ersten Augenblick reagierte Emma nicht. Sie schien es überhaupt nicht zu bemerken. Erst als Ben über sie hinweg griff und den Sicherheitsgurt löste, kam sie wieder zu sich. Er packte sie an den Armen und zwang sie, aus dem Auto auszusteigen.
    „Wir müssen hier weg!“
    Sie konnte ihn nicht verstehen. Die tosende Felslawine schluckte jeden anderen Laut.
    Ben legte den Arm um Emma und trieb sie voran. In geduckter Haltung eilten sie um den Ford herum, die Strasse hinauf.
    Emma war ausser Atem, als Ben ihr endlich erlaubte stehen zu bleiben. Sie liess sich auf einen kleinen Felsvorsprung am Rande der Strasse sinken. Die Hände auf die Knie gestützt hielt sie den Kopf gesenkt und atmete mehrmals tief ein und wieder aus.
    Ihre Kleidung war schmutzig und ihre Haut staubig. Sie konnte den Dreck, den die Lawine aufgewühlt hatte, sogar im Mund schmecken.
    „Ist alles in Ordnung?“
    Besorgt stellte sich Ben vor Emma und legte eine Hand auf ihre Schulter. Vorsichtig drängte er sie aufzusehen. Sie folgte dem leichten Druck und schaute ihn direkt an. Sie war nicht mehr verstört. Sie wirkte auch nicht traurig oder entsetzt. Sie war wütend. Stinkwütend.
    „Was zum Teufel ist hier eigentlich los, hä? Du sagst mir, ich würde dir Schwierigkeiten bereiten, dabei passieren all diese, diese…“, auf der Suche nach den richtigen Worten fuchtelte sie wild mit dem Arm in der Luft herum.
    „…seltsamen Dinge?“, half Ben bereitwillig nach.
    Sie nickte, dann fuhr sie fort: „…nur, wenn du in meiner Nähe bist! Warum habe ich mir eingebildet, bei dir sicher zu sein? Offenbar kann ich meiner Menschenkenntnis überhaupt nicht mehr trauen! Alle, denen ich in letzter Zeit ein wenig Vertrauen geschenkt habe, scheinen mich in irgendeiner Weise verarschen zu wollen! Nach diesen Tagen scheint mir Joschua noch der vertrauenswürdigste unter lauter Unwürdigen! Und das will was heissen!“
    Emma schleuderte Ben ihre Entrüstung und den Frust der letzten Tage nur so ins Gesicht.
    Er nahm es hin. Und das wiederum ärgerte sie nur noch mehr.
    „Warum sagst du nichts?“, brüllte sie ihn an.
    „Warum sollte ich?“ Er ging vor ihr in die Knie, strich sich das wirre Haar aus seinem Gesicht und sah sie aus blauen Augen an. „Bist du fertig?“
    So einfach konnte er ihr den Wind aus den Segeln nehmen? Na fantastisch.
    Emma ergab sich. „Ja, bin ich.“
    „Gut. Das Gedonnere der herabstürzenden Felsen hat anfangs die Hälfte deiner Worte verschluckt, als ich alles hören konnte, wusste ich, dass der Berg sich nun fertig ausgetobt hat. Also wollen wir uns den Schaden mal ansehen?“
    Was für eine bodenlose Frechheit!
    Emma wollte ihm die Meinung sagen. Aber als sie in seine Augen

Weitere Kostenlose Bücher