Unscheinbar
gezogen.
„Gar nichts.“ Emma wollte sich an Liss vorbei drücken, aber sie stellte sich ihr in den Weg.
„So hat er es mit mir auch gemacht.“
Verschwesterung. Wie nett.
„Nach drei Jahren hat er mich stehen gelassen und ging ins Unterland.“
„So? Es hat dir aber nicht geschadet, wie mir scheint. Kevin ist ein guter Fang.“
Argwohn zeichnete sich auf Liss‘ Gesicht ab. „Ja, das ist er und er ist vor allem mein Fang.“
„Kam mir zu Ohren. Es hat ihn übrigens ziemlich verletzt, dass du dich so für Bens Rückkehr begeistern konntest.“ Emma hatte keine Ahnung, weshalb sie sich anmasste, sich in diese Angelegenheit einzumischen. Vielleicht hoffte sie, Liss damit Mundtot zu machen und ihr so zu entkommen.
Aber es klappte nicht.
„Ist das so? Und woher willst du das wissen?“
Emma fixierte Liss‘ Augen. Verschwörerisch senkte sie die Stimme. „Er hat es mir erzählt, als ich vorhin bei ihm war.“
An Liss vorbeizukommen war jetzt ganz einfach. Mit offenem Mund stand sie da und rührte sich nicht mehr. Noch eins draufzusetzen glich einer Gemeinheit, aber Emma konnte sich nicht beherrschen.
„Übrigens, schönes Haus habt ihr beide!“
Emma verschwand durch die hintere Tür in den Korridor, der zum Restaurant führte. Sie nahm gerade die erste Stufe der Treppe in Angriff, die sie zu ihrem Zimmer führte, als ihr ein Einfall kam. Emma machte auf dem Absatz kehrt und verliess das Gebäude durch die Tür zum Garten.
Strang 1 / Kapitel 18
Kirchen hatten einige Vorteile. Sie waren meist schon von weit her sichtbar und standen in der Regel mitten im Dorf. So musste Emma nicht suchen und konnte das Gotteshaus auf direktem Weg ansteuern. Von ihrem Hotel aus brauchte sie wenige Minuten zu Fuss. Sie öffnete die schwere Holztür und trat in das Kirchenschiff ein. Emma war positiv überrascht. Von aussen machte die Kirche bereits den Eindruck, als wäre sie neueren Datums, von innen bestätigte sich diese Vermutung. Die hohen Fenster waren mit wunderschönen Motiven ausgestattet, die in kräftigen Farben leuchteten. Die Wände waren weiss getüncht und man hatte helles Holz verwendet. Die Kirche wirkte hell und freundlich.
Ihre Schritte hallten durch den Raum, als sie auf den Altar zuging.
Sie fürchtete schon, alleine zu sein, als sich die schmale Tür zur Sakristei öffnete. Ein junger Mann kam heraus, der erstaunt aufsah, als Emma ihn ansprach.
„Entschuldigung? Sind Sie der Pfarrer?“
„So ist es. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Oh. Ich bin mir nicht sicher. Sie sind irgendwie so jung.“
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Ein Jammer, dass die Frauenwelt diesen Mann an die Kirche verloren hatte, ging es Emma sofort durch den Kopf.
„Stellt mein Alter denn ein Hindernis dar?“
„Möglicherweise.“ Emma dachte kurz über ihre Worte nach. „Tut mir leid, das war nicht besonders nett. Ich habe mich nur gefragt… Wie soll ich sagen…?“
„…so, wie es Ihnen einfällt. Ich fand den Anfang unserer Begegnung ganz witzig. Ich bin gespannt, wie es weiter geht. Also genieren Sie sich nicht.“
„Gut.“ Emma ordnete ihre Gedanken. „Ein Pfarrer weiss doch meistens wesentlich mehr über seine Schäfchen und gewisse Vorkommnisse, als manch anderer.“
„Das ist richtig. Aber dieses Wissen ist meist auch im Vertrauen ausgetauscht worden.“
„Verstehe. Aber gilt das auch, wenn die Betroffenen alle tot sind?“
Der Pfarrer zog fragend eine Augenbraue hoch. „Sie sind alle tot? Dann, glaube ich, weiss ich, weswegen Sie mich aufsuchen. Sie sind die junge Dame, die seit ihrer Ankunft ganz schön für Wirbel sorgt. Stimmt’s?“
Emma fand es seltsam, von einem Pfarrer als junge Dame bezeichnet zu werden, der kaum älter war als sie selbst. „Schätze, ich habe das schlafende Nest tatsächlich etwas unsanft geweckt. Aber das war nie meine Absicht. Ich war ja völlig ahnungslos, als ich hier ankam.“
„Keiner macht Ihnen einen Vorwurf.“
„Ach, nein? Das sehen Ihre Schäfchen wohl etwas anders.“
„Da mögen Sie Recht haben. Aber ich mache Ihnen keinen. Daher bin ich ganz Ohr.“
Emma lächelte den Pfarrer dankbar an. „Mir geht die Sache mit dem Fluch nicht mehr aus dem Kopf. Dann kamen noch die Themen Sünde und Gottesfurcht zur Sprache. Irgendwie erinnerte mich das alles ein wenig an Zeiten, in denen die Kirche, oder eher deren Hüter, noch mit drohendem Finger auf die Menschen zeigte. Vor allem, wenn unerklärliches Unheil über das Land zog.“
„Ich
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