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Unscheinbar

Unscheinbar

Titel: Unscheinbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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aus einer Holzwand, teils aus einem schweren Vorhangstoff, den Alice aufgehängt hatte. Während sie den vorderen Teil als Stauraum verwendete, hatte Ben, als er mit dem Schrauben an Motorfahrzeugen begonnen hatte, den hinteren als Werkstatt in Beschlag genommen. Für einfache Reparaturen reichte die Ausstattung der Werkstatt noch immer aus. Auch das alte Motorfahrrad, Bens erstes Opfer, stand unter einem schmutzig weissen Leintuch nach wie vor in der Ecke.
    Eine eigene Tür hatte der hintere Teil allerdings nicht.
    Nichts, was Ben je aufgehalten hätte.
    Und ihn auch nicht.
    Er ging um die Hütte herum und spähte durch die Fenster der Werkstatt. Ein Lächeln huschte über seine sonst so konzentrierten Gesichtszüge.
    Sie machten es ihm aber auch zu einfach.
    Scheinbar hatte niemand aufgeräumt, seit die Werkstatt zum letzten Mal benützt worden war. Der Werkzeugkasten lag noch offen da. Sprühdosen mit Reinigungs- und Schmiermitteln standen offen herum. Schmutzige Lappen und Papiertücher lagen auf der Arbeitsplatte. Und auf dem Boden. Daneben ein Elektroheizofen. Perfekt. Das würde ein hübsches Feuerwerk werden.
    Er ging in die Knie. Vorsichtig öffnete er seine Umhängetasche. Dann holte er seine Utensilien heraus und reihte sie fein säuberlich sortiert nach Gebrauchszeitpunkt auf. Während er sich vorbereitete blitzten immer wieder Erinnerungsfetzen auf.
    ...seine Qualen wogen zu schwer. Der Knecht nahm sich ein Seil, um ihnen ein Ende zu bereiten...
    Er legte sich flach auf den Bauch und machte sich an die Arbeit.
    Zuerst kam die Ahle. Beinahe lautlos drehte sie sich immer tiefer in das Holz der Hüttenwand.
    … Einen Teil des Seils knotete er um den Firstbalken…
    Immer wieder horchte er auf, um sich zu vergewissern, dass die Frauen noch anwesend waren.
    Es dauerte nicht lange und die Ahle beseitigte den letzten Widerstand. Er kniff ein Auge zu und spähte mit dem anderen durch das kleine Loch. Er stach mit der Ahle noch einmal hinein und weitete das Loch aus.
    … Den anderen Teil band er zu einer Schlinge…
    Dann griff er nach einem langen, dünnen Röhrchen. Durch das Röhrchen war ein weisser Faden gezogen worden, der oben und unten aus dem Röhrchen herauslugte. Der Faden hatte genügend Spielraum im Röhrchen, so dass er leicht herausfallen konnte.
    Er nahm die kleine Flasche, die einer Miniaturausgabe eines Flachmanns glich und öffnete sie. Vorsichtig träufelte er den Inhalt auf den Faden und in das Röhrchen, bis das Garn vollständig getränkt war. Er setzte einen länglichen, schmalen Trichter auf das Röhrchen. Dann schob er das Konstrukt in das Loch.
    … Seinen Kopf steckte er durch die Schlinge…
    Er sammelte seine Habseligkeiten zusammen und verstaute sie wieder in seiner Tasche. Bis auf eines. Er robbte ein Stück zurück.
    Der Feueranzünder in seinen Händen war lang und schmal. Er zog den kleinen schwarzen Hebel zurück. Weiss glomm die Flamme auf. Sie bleckte am Innern des Trichters.
    Sie tastete sich vorwärts und fand zielsicher, was ihr schmeckte.
    Der Faden fing Feuer. Der Sauerstoff und die Dämpfe im Röhrchen zeigten Wirkung. Blitzschnell frass sich das Feuer hindurch und kam auf der anderen Seite an.
    Auf der Suche nach mehr Nahrung fand es schmutzig weisse Lappen. Von dort war der weitere Weg leicht.
    … Er baumelte nicht lange, da kam der Tod…
    Mit einem Handschuh zog er schnell seine Konstruktion aus der Hütte - und niemand würde auf Brandstiftung kommen.
    Er erhob sich und riskierte noch einen kurzen Blick durch das Fenster. Die Flammen tanzten auf seinem Gesicht einen wilden, hungrigen Tanz.
    Zufrieden stellte er fest, wie sie gierig alles verschlangen, bis sie sich in gefährliche Nähe der Sprühdosen vorgearbeitet hatten.
    … Bald darauf brannte das Bauernhaus hinter der Kapelle, in dem sich der schwermütige Knecht umgebracht hatte, bis auf die Grundmauern nieder.
    Zeit zu gehen.
     
    „Sag mal, riecht es hier nicht irgendwie komisch?“ Emma reichte Alice die letzte Schachtel. Alice nahm sie entgegen. Sie musste sich auf die Zehen stellen, um die Kiste an ihren Platz hoch oben im Regal verstauen zu können.
    Die Kiste bekam noch einen Schubser verpasst, dann stellte sich Alice wieder auf die Füsse. Sie streckte die Nase in die Luft und schnupperte.
    „Hm, es riecht tatsächlich seltsam. Irgendwie verbrannt. Oder nicht?“
    Eine Antwort erübrigte sich. Grauschwarzer Rauch kroch langsam unter dem Vorhang durch. Der Späher des Feuers.
    Mit knorrigen

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