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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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zusammen mit Tommi auf den Weg zur Endstation Ruhleben. Dort postierte sie sich so, dass sie die hereinkommenden Züge in voller Länge im Auge hatte. Auch Tommi hielt an einem strategisch günstigen Punkt Ausschau. Um diese Uhrzeit kamen die einzelnen Züge in immer größeren Abständen, aber Nicolai Berger saß in keinem von ihnen.
    Nach stundenlangem bleiernen Warten beschlossen Paula und Tommi, die erfolglose Aktion abzublasen. Noch einen letzten Zug wollten sie abwarten. Aber als der schließlich eintraf, war der Gesuchte wieder nicht unter den wenigen Passagieren, die den Waggons entstiegen. Als der Zug mit einem leichten Ruck wieder anfuhr, entdeckte Paula plötzlich den zusammengekauerten Körper eines Mannes im nächsten Waggon. Das war er! Ihr Puls ging schneller. Der Mann richtete sich auf, und sie erkannte tatsächlich Nicolai Berger. Er musste sie gesehen und beschlossen haben, nicht in Ruhleben auszusteigen, sondern gleich wieder in die Gegenrichtung zurückzufahren. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke durch die leicht spiegelnde Scheibe.
    Tommi sah Paula fragend an: »Wollen wir hinterher?«
    »Über die U-Bahn-Gleise? Nein, das bringt nichts.«
    »Du bist doch ein sportlicher Typ.«
    »Nein, ich bin eher eine Intellektuelle«, konterte Paula.
    Was dann folgte, war Routine. Während Tommi per Handy die Funkstreife rief, damit sie in der nächsten Station die Ausgänge blockierten – »Die Kollegen sollen sich zeigen, denn wir wollen, dass er nicht aussteigt, sondern im Zug bleibt«, sagte er –, verhandelte Paula mit der U-Bahn-Leitstelle.
    »Wir verständigen den Fahrer«, hieß es dort. »Aber in der nächsten Station Olympiastadion wird er noch halten müssen, da ist er praktisch schon, wenn ich ihn erreiche!«
    »Kein Problem, dort warten bereits Funkstreifen. Es sind aber zu wenige Beamte, um ihn aus dem Zug zu holen und dabei keine anderen Passagiere zu gefährden. Wenn er die Polizisten sieht, wird er wahrscheinlich nicht aussteigen, sondern weiterfahren wollen …«
    »Gut. Wir können Anweisung geben, dass der Fahrer in den darauffolgenden Stationen nicht mehr anhält, bis Sie Ihre Leute versammelt haben. Vielleicht am Bahnhof Ernst-Reuter-Platz? Dort wäre die Bahn in etwa achtzehn bis zwanzig Minuten. Würden Sie das schaffen?«
    »Ja, das kriegen wir hin. Also Ernst-Reuter-Platz.«
    Paula informierte die Kollegen und raste los. In dieser Situation kam ihr die Formel-1-Fahrweise von Tommi sehr gelegen. Nach einer Viertelstunde hielten sie mit quietschenden Reifen vor dem U-Bahn-Eingang Ernst-Reuter-Platz. Noch während die beiden die Treppen hinunterliefen, fuhr der Zug in den Bahnhof ein und bremste langsam. Der Fahrer öffnete die Türen zum Bahnsteig. Während der Fahrt hatte er die Durchsage gemacht: »Aus technischen Gründen hält der U-Bahnzug erst an der Haltestelle Ernst-Reuter-Platz. Wir bitten um Verständnis.«
    Paula und Tommi liefen mit entsicherten Pistolen den Zug entlang und schauten in jeden einzelnen Waggon. Ein paar wenige Passanten stiegen aus und gingen erschrocken davon.
    Dann sahen sie ihn. Nicolai versuchte im letzten Wagen, mit bloßen Händen eine der geschlossenen Türen zu öffnen, die dem Gleis der Gegenrichtung zugewandt waren.
    »Nicolai, nein!«, schrie Paula und blieb stehen. Jede seiner Bewegungen schien plötzlich vor Paulas Augen wie in Zeitlupe abzulaufen. Er drehte sich nach ihr um und lächelte. Dann schloss er für einen Moment die Augen.
    »Herr Berger, sehen Sie mich an!«
    Aber Nicolai reagiert nicht.
    »Nehmen Sie sofort die Hände hoch!«, brüllte Tommi.
    Nicolai zerrte mit geschlossenen Augen weiter an der Tür. »Die bunte Welt fliegt vorbei. Das Grün der Notausgänge und die Schwärze der Tunnel. Das grelle Licht.«
    Tommi schaute fragend zu Paula. Sie zögerte. Sie hätte jetzt schießen können, zuerst einmal in die Luft und dann gezielt auf den Flüchtigen.
    »Ruhleben, das ist der Himmel!« Mit einer gewaltigen Anstrengung gelang es Nicolai nun doch, die Tür einen Spaltbreit zu öffnen und sich hindurchzuzwängen.
    Paula machte einen Satz nach vorn, sie wollte ihn unbedingt erreichen, bevor er sprang. Aber es war zu spät. Sie holte Luft, um zu schreien, brachte aber nur einen erstickten Laut hervor.
    Auch Tommi stand wie erstarrt da.
    Für den Bruchteil einer Sekunde schien Nicolai in der Luft zu schweben. Dann war er verschwunden, denn in demselben Moment fuhr der Zug aus Richtung Pankow in den Bahnhof ein.
    Paula starrte auf

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