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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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die Stelle, wo er noch einen Moment zuvor gestanden hatte, und blickte dann in das erschrockene Gesicht des Fahrers, das zu einem stummen Schrei verzerrt war. Von Nicolai war nichts mehr zu sehen.
     

58
    A m Sonntagmorgen war der Himmel über Berlin strahlend blau und klar. Schwalben kreisten über der Kastanie im Hof, während Paula auf dem Balkon die frische Luft einsog und das Sonnenlicht genoss. Der Frühling war nicht mehr aufzuhalten. Jonas und sie hatten freigenommen und konnten die wenige verbleibende Zeit bis zu ihrer Abreise mit Sandra und Manuel verbringen.
    Nach dem gemeinsamen Frühstück packte Paula zusammen mit Sandra die Koffer, und Jonas half, die überall in der Wohnung verstreuten Sachen zusammenzusuchen.
    »Also was ist jetzt mit dem Täter?«, fragte Sandra die Schwester.
    »Nun, wir konnten ihn nicht mehr verhaften.«
    Einen Moment lang sagte niemand etwas.
    Sandra schluckte. »Wo war das?«
    »In einem U-Bahnhof.«
    Jetzt nahm Sandra zwei Shirts wieder auseinander und begann sie neu zu falten. »Ist er tot?«
    »Ja.«
    Manuel kam ins Gästezimmer gestürmt. »Paula, hast du meinen Picknick-Rucksack gesehen?«
    Paula lächelte. »Da liegt er doch. Direkt vor deiner Nase!«
    Beim Frühstück hatte Manuel unvermittelt gefragt: »Wo ist denn Nicolai?«
    Paula war Sandra zuvorgekommen. »Er ist weit fort gereist«, sagte sie.
    Manuel erinnerte sich: «Ja, das hat er mir gesagt. Nach Neuseeland! «
    Das Telefon klingelte. Ihre Mutter war am Apparat. »Wie geht es dir, Paula?« Sie machte eine Pause und wartete, was Paula verblüfft registrierte. Wollte ihre Mutter wirklich eine Antwort hören? Das war neu.
    Aber noch bevor sich Paula von ihrem Erstaunen erholt hatte, sprach ihre Mutter doch weiter. Wie immer. »Sandra hat mich in der Nacht angerufen und mir alles erzählt. Sie sagt, Jonas ist sich sicher, dass Manuel keinen bleibenden Schaden davongetragen hat. Der arme Junge. Wie schrecklich auch alles für Sandra. Und natürlich auch für dich. Da haben wir wirklich unfassbares Glück gehabt.«
    Am Ende läuft alles auf Glück hinaus, dachte Paula. Manche Menschen hatten Glück, andere nicht. So einfach war das. Nicolai hatte kein Glück, Fabian auch nicht. Manche Menschen genossen ein Leben voller Glück, anderen waren nur wenige flüchtige Augenblicke davon vergönnt. »Ja, Mama, das haben wir. Jetzt ist alles überstanden. Und gestern hatten wir so einen sonnigen Tag. Luca, Manuels neuer Berliner Freund, und sein Vater Enrico, der ein sehr schönes italienisches Restaurant in der Nähe hat, haben uns zu einem Ausflug in den Zoo abgeholt. Manuel hat sich wieder in sämtliche Tiere dort verliebt. Er und Luca waren ganz verrückt nach dem kleinen Eisbären. Nur vor dem Ozelot, den er zuletzt als Baby gesehen hat, hat Manuel plötzlich ganz schön Respekt bekommen, weil der so gefaucht hat. Am Abend haben wir dann alle bei Enrico gegessen.«
    Bisher hatte ihre Mutter sie kein einziges Mal unterbrochen. Paula kam es wie eine Premiere vor. »Bist du noch da?«
    »Ja, natürlich! Ich höre dir zu. Aber sag mal, wann fahren Sandra und Manuel denn heute zurück nach Köln?«
    Paula sah erschrocken auf die Uhr. »Oje, in fünfzig Minuten. Jetzt müssen wir uns aber beeilen.«
    »Dann melde ich mich ein anderes Mal«, sagte die Mutter verständnisvoll. »Mach’s gut, mein Kind. Grüße an alle, und besonders liebe Grüße an Manuel.«
     

Nachspann
    A ls sie alle im Auto saßen, sagte Sandra zu Paula, die am Steuer darauf wartete, dass sich alle anschnallten: »Auf jeden Fall danke ich euch sehr. Wie schade, dass wir nicht noch ein paar Tage länger in Berlin bleiben können, aber Manuel muss wieder in den Kindergarten.«
    »Wieso können wir nicht noch länger in Berlin bleiben? Kindergarten ist doch blöd«, krähte Manuel vom Kindersitz. Glücklich hielt er seinen Jack-Russell-Welpen in den Armen, der ihm mit seiner kleinen Schnauze ans Kinn stupste.
    »Ich will einen Schokokeks.«
    »Wie heißt das kleine Zauberwort?«
    »Sofort!«, rief Manuel, und alle lachten.
    »I-Dötzchen, Kaffeeklötzchen«, kreischte er ausgelassen. »Versteht Benny das?«
    Sandra lachte auch. »Nein. Aber lesen und schreiben kannst du ihm ja beibringen, wenn du erst zur Schule gehst.«
    Mehr Unterhaltung war mit Manuel nicht möglich, denn alles, was er tat, war nur für seinen neuen Freund Benny bestimmt. Jonas hatte versichert, das werde die beste Therapie für ihn sein, als er den Hund mit nach Hause brachte. Ein

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