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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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Ich nehme an, der Bursche hat die Gläser mitgenommen. Schick bitte den Kellner aufs Präsidium und lass mit seiner Hilfe ein Phantombild von Kleists Begleiter anfertigen. Das Bild soll auch an die Taxizentralen in Charlottenburg und Wilmersdorf, nein, am besten an alle Zentralen, vielleicht haben wir ja ganz großes Glück und unser Freund hat in der Nacht ein Taxi mit einem besonders aufmerksamen Fahrer genommen.«
    »Geht sofort los.« Tommi hob die Hand, und Paula sah, wie Max nickte und daraufhin mit dem Kellner das Lokal verließ. Vor der Tür lauerten mittlerweile noch mehr Presseleute und Schaulustige. Durch die Scheiben konnte sie sehen, wie Max und der Kellner in eins der Polizeifahrzeuge stiegen.
    Tommi fuhr mit der Befragung der beiden anderen Kellner fort. Er hatte seine Jacke ausgezogen, das T-Shirt spannte über seinen gut ausgebildeten Muskeln. Sogar Hals und Nacken waren kräftig wie bei einem Stier. So viel Sport muss fröhlich machen, dachte Paula, denn seine blauen Augen leuchteten immer vergnügt – wie bei einem Kind, das gerade seine Geburtstagsgeschenke auspackte.
    Sie versuchte sich den beschriebenen Begleiter von Felix Kleist vorzustellen: Sportlich, gut aussehend, schwarzes Hemd, schwarze Hose, dunkles Haar. Unscheinbare Frisur, unauffälliges Benehmen, aber irgendwie attraktiv. Das grenzt die Suche unheimlich ein, dachte sie sarkastisch. Und dann hat er auch noch sein Glas mitgenommen. Wäre ja sonst auch zu einfach gewesen. Sie stöhnte.
     
    Als Dr. Martina Weber eintraf, fielen die ersten Regentropfen. Ein Beamter hielt höflich einen aufgespannten Schirm über die Pathologin. Sie begrüßte das Team und Paula, die mit Marius an einem Tisch in der Nähe eines Fensters über Notizen gebeugt saß. »Guten Morgen zusammen, hallo, Paula! Wie ich höre, eine Wiederholungstat? Ich sehe erst mal nach dem Toten«, sagte Dr. Weber und zog sich Schutzanzug, Haube, Handschuhe und Plastikschuhe über. Ohne auf Paulas Entgegnung zu warten, verschwand sie in dem Vorraum zur Toilette.
    Herbert brachte Paula eine schwarze Wollmütze, die er in eine durchsichtige Plastiktüte gesteckt hatte. Er hatte sie auf dem Boden neben dem Schirmständer am Eingang entdeckt. Die Mütze hatte Schlitze für die Augen. Die Schnittränder sahen aus, als hätte der Besitzer sie eigenhändig mit der Schere herausgeschnitten. Paula drehte die Tüte mit der Mütze in den Händen und fragte Herbert, ob noch mehr Kleidungsstücke aufgefunden worden waren. Er verneinte.
    »Schick die bitte zur Untersuchung in die PTU«, sagte Paula. »Und noch was, Herbert. Hat der Tote ein Handy bei sich?«
    »Ja, das ist bereits sichergestellt.«
    »Danke.«
    Tommi kam grinsend auf sie zu. »Wir kriegen ihn.«
    »Was macht dich da so sicher?«, fragte sie verblüfft.
    Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte, als würde er ihr ein Geheimnis anvertrauen: »Mit Lea Buckow ist bei ihm der Irrsinn erwacht. Er kann ihn nicht stoppen, Paula. Keine Chance. Ich bin sicher, der ist noch nicht fertig.«
    »Wie tröstlich. Danke für deine konstruktive Mitarbeit.« Sie wandte sich an Marius und fragte, wer die Angehörigen verständigen sollte.
    »Über Angehörige wissen wir noch nichts.«
    »Was heißt das? Der Mann muss doch Familie gehabt haben.«
    Herbert, der das gehört hatte, rief: »Es lebt nur noch seine Mutter. Hier in Berlin.«
     

16
    D a war sie wieder, die Frau, die der Wahrheit hinterherrannte. Eine richtige Fanatikerin. Warum kümmerte sie sich nicht lieber um ihren Besuch? Warum war sie nicht zu Hause bei ihrem Neffen und spielte mit ihm, wie sich das für eine richtige Tante gehörte? Vor allem am Sonntag. Bei ihm würde der Kleine es viel besser haben. Die beiden Schwestern hatten den süßen Jungen doch gar nicht verdient! Die Kommissarin machte einen erschöpften und angestrengten Eindruck. Alles und jeder schien wichtig für sie zu sein. Nur der Kleine nicht. Wie dumm doch die Menschen waren! Sie wussten überhaupt nicht, was wirklich zählte. Aber das würde die Kommissarin schon bald lernen.
    Eifrig und mit ernster Miene befragte sie ausgerechnet die Leute, die ihr nun absolut nichts zu sagen wussten. Wie blöde konnte man denn sein? Hallo! Weshalb schaute sie sich nicht ein einziges Mal um? Warum hielt sie nicht einen Moment inne?
    Fabian war auch immer in Bewegung gewesen und jederzeit mit irgendetwas beschäftigt. Stundenlang konnte er sich in Welten verlieren, die nur für ihn existierten, und dabei Gespräche mit

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