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Unschuldig

Titel: Unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Vanoni
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und dachte an den erschütternden Anblick der toten Lea Buckow mit all den Würmern im Gesicht. Dann fiel ihr das mit naiver Glasmalerei in leuchtenden Farben verzierte Fenster ins Auge; ein greller Kontrast zu dem bleichen Antlitz des Ermordeten. Auf einem Fluss trieb ein Boot, worin eine lesende junge Frau und ein junger Mann saßen, der das Ruder in Händen hielt. Hinter ihm lagen eine Gitarre und ein offener Sack, aus dem Geldscheine in die Luft wirbelten. Ein Krokodil schwamm von dem mit tropischen Bäumen und Pflanzen bewachsenen Ufer aus in Richtung Boot.
    Das Fenster war zu schmal, als dass ein Mensch sich hätte hindurchzwängen können. Der Täter musste also durch das Restaurant gekommen sein. Paula war es in ihrem Schutzanzug ziemlich heiß geworden. Sie verließ die Toilette und fragte Herbert, ob Martina Weber schon eingetroffen sei, was nicht der Fall war.
     
    Tommi hatte drei von den fünf Kellnern der gestrigen Abendschicht um sich versammelt. Der Schock stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
    »Der Besitzer kommt da drüben«, sagte einer der Kellner und deutete auf einen attraktiven, weißhaarigen Mann, der von einem Schutzpolizisten durch die Absperrung in das Restaurant gelassen wurde.
    Paula ging zu ihm und stellte sich vor. Sie eröffnete das Gespräch mit einigen allgemeinen Fragen zu seinem Restaurant, was den Mann noch mehr zu irritieren schien. Während er nervös von einem Fuß auf den anderen trat, erklärte er, dass sein Lokal schon bessere Zeiten erlebt habe. Aber seit das Filmfest vor Jahren an den Potsdamer Platz umgezogen sei und hier in der Gegend ein Kino nach dem anderen schließen musste, würden auch die Restaurants von den Filmleuten nicht mehr so häufig besucht.
    »Die Berlinale-Prominenz tummelt sich heute überwiegend am Potsdamer Platz«, bemerkte er.
    Paula nickte. »Aber Sie kennen sich in der Filmszene einigermaßen gut aus?«
    »Ja, ich kenne eine Menge Leute.«
    »Sagt Ihnen der Name Felix Kleist etwas?«
    »Ja, sicher. Einer der Gäste, die noch regelmäßig kommen. Ein sehr guter Schauspieler.«
    »Er war gestern Abend auch hier.«
    »Hat er das behauptet?«
    »Das kann er leider nicht mehr. Er ist der Tote in Ihrer Toilette.«
    »Felix? Oh mein Gott!«
    »Haben Sie ihn gestern nicht gesehen?«
    »Nein, ich bin schon gegen neun gegangen. Er muss später gekommen sein. Da müssen Sie die Kellner fragen. Sonst hätte ich ihn natürlich persönlich begrüßt.«
    Tommi hatte inzwischen den Kellner befragt, der Felix Kleist am Vorabend bedient hatte. Er nahm Paula beiseite und berichtete kurz das Wichtigste: »Er war mit einem Mann hier, jünger als er. Die beiden haben ein Wiener Schnitzel gegessen und eine Flasche Chablis getrunken. Also nicht ganz so edel, wie du es dir vorgestellt hast. Sie sind ziemlich spät gekommen, zwischen Mitternacht und eins, und waren die letzten Gäste. Als der Kellner eigentlich Feierabend machen wollte, haben sie noch zwei doppelte Wodka auf Eis bestellt. Kleist hatte ihm fünfzig Euro Trinkgeld gegeben, was der Kellner zunächst für einen Irrtum hielt, aber der Schauspieler und sein Begleiter grinsten. Sie baten darum, noch ein paar Minuten allein bleiben zu dürfen, um gemütlich auszutrinken. Also ließ der Kellner die beiden in Ruhe. Er musste sowieso noch seine Abrechnung machen und setzte sich daher in die hintere Ecke des Lokals. Von da aus konnte er den Eingang der Toilette nicht sehen. Die Kollegen waren bereits gegangen, hatten es ihm überlassen, das Restaurant abzuschließen. Als er mit seiner Abrechnung fertig war und nach vorne ging, waren die beiden Gäste fort. Er wunderte sich noch, dass die Wodka-Gläser nicht mehr auf dem Tisch standen. Aber wegen des guten Trinkgelds war ihm das dann auch egal. In die Toilette ging er nicht mehr. Er bediente den Hauptlichtschalter, schloss das Lokal ab und fuhr nach Hause.«
    »Hat er Lärm gehört oder Schreie oder irgendetwas?«
    »Nein, nix.«
    »Und die Beschreibung von Kleists Begleiter?«
    »Schlank, mittelgroß, jünger als Kleist, aber auf jeden Fall über zwanzig. Sah irgendwie normal und sympathisch aus, schwarz gekleidet, meinte er. Und sportlich. So eine Mischung aus attraktiv und unauffällig, was auch immer das bedeutet. Braunes glattes Haar, kinnlang.«
    »Wo ist das Geschirr geblieben, von dem sie gegessen haben?«
    »Alles gespült.«
    »Die Bestecke auch?«
    »Jawohl.«
    Paula überlegte. »Ich habe kein Wodka-Glas auf der Toilette gesehen. Auch keine Glasscherben.

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