Unschuldig!
unter Dach und Fach war.” Sie hatten den Parkplatz erreicht, auf dem ihr Volvo geparkt war. Julia öffnete den Kofferraum und verstaute alles, was sie und Grace gekauft hatten.
“Warum soll Paul deine Hypothek übernehmen?”
“Um mich mal wieder zu etwas zu zwingen, was ich nicht machen möchte.”
Beide Frauen gingen um den Wagen herum und stiegen ein. “Und was zum Beispiel?” hakte Grace nach.
Julia spürte, dass ihre Mutter sie besorgt ansah, und sie starrte einen Moment lang aus dem Fenster. Grace war die Einzige, die wusste, dass Paul sie geschlagen hatte. Doch da Julia die Vergangenheit hatte hinter sich bringen wollen, kamen sie auf diesen Punkt höchst selten zu sprechen.
“Paul war gestern bei mir.” Sie drehte sich im Sitz zu ihrer Mutter um. “Er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will.”
“O mein Gott!” Erschrocken legte Grace die Hände vor den Mund. “Warum denn das? Meint er, dass du lebensmüde bist?”
“Er hat gesagt, dass er sich verändert hat. Dass er sich ohne mich elend fühlt und dass er einen Neuanfang unternehmen möchte.”
Grace' Augen weiteten sich vor Schreck. “O Julia, du hast doch nicht Ja gesagt!”
“Natürlich nicht. Ich habe ihm gesagt, dass eine Versöhnung nicht zur Debatte steht.” Sie hielt es für besser, weder ein Wort von Pauls hitzigem Kuss noch von der Ohrfeige zu sagen, die sie ihm verpasst hatte. Es hätte ihre Mutter umso stärker beunruhigt.
“Wie hat er es aufgenommen?”
“Eigentlich war er über meine Reaktion … amüsiert. So als wüsste er etwas, was ich nicht wusste.” Sie lächelte bitter. “Jetzt weiß ich auch, was es war.”
“O Julia, ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Hypothek benutzen wird, damit du ihn heiratest. Das ist doch krank. Außerdem hast du etwas gegen ihn in der Hand, das weißt du doch, oder? Das kann er nicht ignorieren.”
“Er denkt nicht sachlich.”
Grace schüttelte den Kopf. “Er war immer besessen von dir. Ich hätte wissen müssen, dass er dich niemals aufgeben würde.” Ein Ausdruck von Besorgnis trat in Grace' grüne Augen. “Und was geschieht jetzt?”
Julia steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Sie hatte die ganze Nacht lang wach gelegen und überlegt, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Die Entscheidung, Paul zur Rede zu stellen, begeisterte sie nicht, aber sie sah keine Alternative. “Ich warte ab, bis Paul heute Abend von der Ratssitzung zurückkommt”, sagte sie. “Dann gehe ich zu ihm nach Hause und rede mit ihm. Ich will hören, was er plant.”
“Vielleicht plant er überhaupt nichts.”
Julia startete den Wagen und rangierte aus der Parklücke. “Paul macht nie etwas grundlos, Mom. Das weißt du.”
“Mag sein, aber mir gefällt die Vorstellung nicht, dass du zu ihm nach Hause gehst.”
“Mir wird nichts passieren.”
“Lass mich dich wenigstens begleiten.”
Julia schüttelte den Kopf. “Nein, Mom. Das ist eine Sache zwischen Paul und mir.” Sie beugte sich hinüber und drückte die Hand ihrer Mutter. “Mir wird nichts zustoßen. Paul ist nicht dumm. Er wird mich ganz sicher nicht schlagen, immerhin kandidiert er zur Zeit für den Posten des County Commissioners.” Sie lächelte. “Außerdem hat er um meine Hand angehalten. Solange er an die Chance glaubt, dass ich meine Meinung ändere, wird er sich von seiner besten Seite zeigen.”
“Du musst das ja wissen.”
An der Art, wie Grace ihre Hände gefaltet in ihren Schoß legte, erkannte Julia aber, dass sie davon nicht überzeugt war.
Auch jetzt, nach zwölf Monaten, war es für Julia immer noch schwierig, das Haus zu betrachten, in dem sie und Paul sechs Jahre lang gelebt hatten, ohne dass ihr ein eiskalter Schauder über den Rücken lief.
Das zweistöckige Gebäude im Tudorstil war ein Hochzeitsgeschenk von Charles gewesen, eine großzügige Geste, um seine neue, sehr leichtgläubige Schwiegertochter zu beeindrucken. Damals war sie so unschuldig gewesen – und völlig verzaubert davon, dass Paul Bradshaw sich für sie als seine Ehefrau entschieden hatte. Paul, ein Mitglied des Stadtrates von Monterey, war ein Mann, über den viele sagten, dass er eines Tages Gouverneur von Kalifornien werden würde.
Anfangs war er der perfekte Ehemann, liebevoll, aufmerksam und aufopfernd. Julia, die nur zu bereit war, ihm zu gefallen, hatte eingewilligt, ihre Karriere im Hotelmanagement aufzugeben, um ihren Ehemann bei dessen beruflichem Vorankommen zu unterstützen. So wie Pauls Mutter und
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