Unschuldig!
in ihrer Küche gestanden und Kekse gegessen hatte.
Bevor sie die “Hacienda” verließ, hatte sie Penny angerufen. So ruhig und gefasst, wie sie es in Krisenzeiten immer war, hatte sie ihr gesagt, dass Frank dienstfrei hatte und zum Golfen gefahren war. Sie würde ihn aber schon finden.
Die beiden trafen zwanzig Minuten später ein, als Julia gerade zu Hammonds Schreibtisch zurückgebracht wurde. Steve, der ein sorgenvolles Gesicht machte, war bei ihnen, außerdem ein kleiner, stattlicher Mann, den Julia noch nie gesehen hatte.
Während sich Frank mit Hammond unterhielt, eilte Steve mit dem Fremden im Schlepp zu ihr. “Geht es dir gut?” Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah sie aufmerksam an.
Wie soll es mir gut gehen, dachte sie, während sie gegen ihre Tränen ankämpfte. Vor der Polizeistation hatten sie Reporter umringt, ihr Fragen zugerufen und Mikrofone vors Gesicht gehalten. Im Gebäude war die Stimmung nicht viel besser gewesen. Sie war wie eine gewöhnliche Kriminelle verhört worden, und man hatte sie angesehen wie die Attraktion in einer Freakshow. Seit der Zeit, da sie von Paul geschlagen worden war, hatte sie sich nicht mehr so erniedrigt und entwürdigt gefühlt. “Mir gehts gut”, erwiderte sie kategorisch.
Sie konnte an der Art, wie er beschützend seine Arme um ihre Schultern legte, erkennen, dass er ihr nicht glaubte. “Julia”, sagte er, während er den Fremden herbeiwinkte. “Das ist Michael Rumson. Er ist Strafverteidiger, und nach allem, was Frank mir gesagt hat, ein sehr guter.”
Panik ergriff von ihr Besitz. “Steve, ich kann es mir nicht leisten, einen An…”
“Pst.” Er legte einen Finger auf ihre Lippen. “Das ist alles geregelt.”
“Von wem?”
“Von mir. Und jetzt hör auf, mir damit auf die Nerven zu gehen. Du kannst es mir später zurückzahlen, wenn du dich dann besser fühlst. Im Moment will ich dich nur hier rausholen.”
“Ich fürchte, das ist nicht möglich.”
Der Mann, der gerade gesprochen hatte, war Tanner Brooks, einer der schärfsten und ehrgeizigsten Bezirksstaatsanwälte, die Monterey jemals erlebt hatte. Offenbar weil es ein Wahljahr war und ein hochkarätiger Mordprozess für seine Karriere Wunder wirken würde, hatte er von Anfang an persönliches Interesse an dem Fall gezeigt.
“Warum?” wollte Michael Rumson wissen und schlüpfte augenblicklich in die Rolle des Verteidigers. “Meine Klientin hat nichts Falsches getan. Sie ist aus freien Stücken hergekommen und hat alle Ihre Fragen beantwortet. Außerdem haben Sie nur Indizienbeweise gegen sie in der Hand, daher beantrage ich die sofortige Freilassung.”
“Wir haben eine Augenzeugin”, sagte Brooks lakonisch. “Mrs. Bailey, die gegenüber von Paul Bradshaw wohnt, hat Julia Bradshaw als die Person identifiziert, die sie am Abend von Pauls Ermordung in dessen Haus hat gehen gesehen.”
“Das ist nicht wahr!” protestierte Julia. “Sie hat sich geirrt …”
Rumson legte eine Hand auf ihren Unterarm, damit sie schwieg. “Kommen Sie schon, Tanner”, sagte er in einem Tonfall, der etwas Appellierendes haben sollte. “Sie haben hier keine Argumente in der Hand. Mrs. Bailey ist eine alte Frau, ihre Sehkraft …”
“Sie werden noch genug Zeit haben, um den Fall Ihrer Klientin zu schildern, Counselor.” Brooks knöpfte sein Jackett zu, drehte sich zu Hammond um, nickte knapp und ging dann.
Hammond presste seine Lippen zusammen und wandte sich an Julia. “Es tut mir Leid, Julia. Ich habe keine andere Wahl, ich nehme Sie wegen des Mordes an Paul Bradshaw fest.”
Der restliche Morgen gestaltete sich wie eine Szene aus einem schlechten Film. Mit steifen Schritten folgte Julia einer uniformierten Polizistin in einen anderen Raum, wo man sie fotografierte, ihre Fingerdrücke nahm und sie offiziell des Mordes anklagte.
So sehr Mike Rumson sich auch bemühte, die Kaution zu reduzieren, setzte der Richter sie dennoch auf zweihunderttausend Dollar fest, eine Summe, die so unerhört hoch war, dass er ebenso gut zwei Millionen Dollar hätte verlangen können.
Die Vorverhandlung, in der entschieden wurde, ob der Fall vor Gericht kam oder nicht, wurde für den 30. Juni angesetzt. Sie hatte den Richter in stummem Schock angestarrt und nur an einen einzigen Menschen gedacht: Andrew. Wie würde sie ihrem kleinen Jungen erklären sollen, dass man sie des Mordes beschuldigte? Und was würde mit ihm geschehen, wenn man sie für schuldig befand?
“Bevor der Tag um ist, bist du
Weitere Kostenlose Bücher