Unschuldig!
dritte Spur verlief weiter in südlicher Richtung in den Zypressenhain.
“Ah, Mrs. Bradshaw”, sagte Ian McDermott, als sie eintraten. “Und Mr. Reyes. Bitte, kommen Sie doch herein.”
Ihr Gastgeber war kleiner, als Steve sich vorgestellt hatte, doch was ihm an Größe fehlte, machte er mit Muskeln wieder wett. Der Gedanke, dass McDermott der Angreifer hätte sein können, war schnell wieder verschwunden. Der Eindringling war kräftig gebaut gewesen, aber auch viel größer.
“Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn wir uns hier unterhalten, oder?” fragte McDermott, während er eine ausholende Geste machte. “Eine meiner Pflanzen hat sich ein Virus zugezogen, und ich möchte sicher sein, dass sich die Erkrankung nicht auf die anderen überträgt.”
“Kein Problem”, erwiderte Steve. “Es ist sehr freundlich von Ihnen, Mr. McDermott, dass wir herkommen durften.” Er betrachtete die Fülle von Pflanzen, allesamt Orchideen, und wünschte sich, sie hätten sich woanders getroffen. In der extrem feuchten Umgebung war der widerliche Geruch fast übelkeiterregend.
McDermotts Blick ruhte eine Weile auf Julia, bevor er sich wieder Steve zuwandte. “Sie haben am Telefon gesagt, dass Sie meinen Neffen suchen. Darf ich fragen, warum?”
“Nach unseren Informationen könnte er etwas wissen über einen Angriff auf Mrs. Bradshaw vor wenigen Tagen.”
Perplex sah McDermott zu Julia. “Informationen welcher Art denn?”
“Bens Wagen ist in der Straße gesehen worden, in der ich wohne. Vor dem Einbruch hat er zwei volle Tage dort gestanden”, sagte Julia. “Danach ist er verschwunden.” Während McDermott sie weiter ansah, fragte sie: “Sie haben doch von dem Einbruch gehört, oder? Und dass ich mit einer Waffe bedroht wurde?”
“Davon habe ich gehört. Das tut mir auch sehr Leid.” Er schüttelte den Kopf, als könne er nicht den Zusammenhang erkennen, auf den sie hinauswollte. “Und Sie denken, Ben … er soll bei Ihnen eingebrochen und Sie bedroht haben? Wollen Sie das etwa sagen?”
“Wir werfen ihm nichts vor”, mischte sich Steve ein. “Aber sein Wagen wurde auf der Via del Rey gesehen.” Er versuchte, so harmlos wie möglich zu klingen. “Darum würden wir gerne mit ihm sprechen und seine Version hören. Vielleicht hat er etwas oder jemanden bemerkt.”
“Ich verstehe.” McDermotts klare blaue Augen ruhten nun wieder auf Steve, bevor sie sich auf die Pflanze richteten, mit der er sich zuvor beschäftigt hatte. “Sind Sie sicher, dass es Bens Wagen war, den Sie gesehen haben?”
“Wir haben den Wagen nicht gesehen”, erwiderte Steve, “sondern ein Nachbar.” Er lehnte sich lässig gegen die Arbeitsplatte und beobachtete McDermott, der die Unterseite eines Blatts untersuchte. “Wir haben ihn dank eines Parkaufklebers bis zum Santa Barbara College zurückverfolgt”, erklärte er. “Die Verwaltung hat uns Bens Adresse auf dem Campus gegeben, und von seiner Freundin haben wir erfahren, dass er vorzeitig und mit unbekanntem Ziel abgereist war.”
McDermott ging zur nächsten Pflanze weiter und wiederholte bei jedem Blatt die Untersuchung. “Er könnte seinen Wagen auch einem Freund geliehen haben. Das macht er oft, müssen Sie wissen.”
“Aus dem Grund habe ich in verschiedenen Hotels in und um Monterey nachgefragt und erfahren, dass er am Nachmittag des 15. Juni ein Zimmer im Hidden Oak Inn in Sand City genommen hatte und nach dem 18. Juni nicht mehr gesehen wurde, obwohl er für eine komplette Woche im Voraus bezahlt hat. Bar.”
Als sich McDermott zu ihm umsah, hatte Steve das Gefühl, in den Augen des Mannes eine Spur von Bewunderung zu erkennen, war sich aber nicht sicher.
“Sie sind recht findig, Mr. Reyes”, sagte er, während er sich aufrichtete. “Und offensichtlich auch sehr gründlich. Aber ich bin fast sicher, dass man sich im Hidden Oak Inn geirrt hat. Erstens würde Ben nicht in diese Gegend kommen, ohne es mich wissen zu lassen. Zweitens hat er keinen Grund, irgendwo einzubrechen. Seine Eltern haben ihm ein ansehnliches Vermögen hinterlassen …”
“Er wollte kein Geld”, unterbrach ihn Julia.
“Nicht?” Er hob eine Augenbraue. “Was wollte er
dann?”
“Eine Kassette.” Steve beugte sich über eine Blüte, als würde er an ihr riechen wollen. “Eine Audiokassette, die Mrs. Bradshaws Exmann hinterlassen hat. Er drohte sogar, sie umzubringen, wenn sie ihm nicht sagen würde, wo das Band versteckt ist.”
Bei diesen Worten vergaß McDermott seine
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