Unschuldig!
worden waren, und dass ein Reporter namens Steve Reyes dafür gesorgt hatte, war der Aufhänger in allen Nachrichtensendungen des Landes.
Plötzlich wollte jeder wissen, wer Steve war, was er gemacht hatte, bevor er nach Monterey gekommen war, und ob er für Interviews zur Verfügung stand. Tim hatte ihn bereits angerufen, da “60 Minutes”, “20/20” und “Good Morning America” ihn in ihren Sendungen haben wollten.
Der Gedanke an eine solche Publicity ließ Steve zusammenzucken. Wäre da nicht Julia gewesen, hätte er sich längst ohne viel Aufhebens auf den Weg zurück nach Florida gemacht und versucht, die Angelegenheit zu vergessen. Aber Julia bedeutete ihm inzwischen sehr viel, umso mehr, da sein eigentlicher Grund, der ihn nach Monterey geführt hatte, jetzt im Gefängnis saß.
So hatte er sich an diesem warmen, windigen Tag, während sich die Sonne über die Berge erhob, an den einzigen Platz begeben, von dem er wusste, dass er ihm ein paar Minuten Ruhe garantieren würde – Sheilas Grab.
Seine Blumen, die inzwischen ohnehin sicher verwelkt waren, hatte man durch ein kunstvolles Gesteck aus Callas ersetzt, das genauso förmlich und steif war wie der Mann, der es dorthin gelegt hatte.
Er hockte sich hin und ließ seine Hände zwischen seinen Knien baumeln. “Ich habe ihn gekriegt, Sheila. Du und unser Baby – ihr könnt jetzt in Frieden ruhen.” Auch wenn er noch nie an übersinnliche Erlebnisse geglaubt hatte, blickte er jetzt zum Himmel, als suche er dort nach einem Zeichen von ihr. Als nichts dergleichen geschah, sah er wieder auf den Grabstein. Im hellen Schein der Sonne schien Sheilas Name zu glitzern. Steve sah andächtig auf Sheilas Grab.
“Ich bin jemandem begegnet, Sheila”, sagte er sanft. “Ich hätte es zwar nie geglaubt, aber es ist geschehen.” Er schluckte. “Ich dachte, du solltest das wissen. Doch vielleicht … musste ich auch nur hören, wie ich es sage.”
Die einzige Antwort kam vom Ozean, der fünfzehn Meter unter ihm lag, wo die tosenden Wellen an die Felsen schlugen.
“Ich habe überlegt, sie zu fragen, ob sie mich heiraten möchte, aber ich bin nicht sicher, ob das richtig ist. Das ist ein großer Schritt. Für mich und für sie. Ich weiß nicht mal, ob sie Ja sagen würde.”
Ein Windstoß fuhr durch den Mandelbaum und riss eine Blüte los, die zu Boden segelte und Zentimeter von Steve entfernt auf dem Grab landete. Er nahm sie auf und sah noch einmal zum Himmel. Dann nahm er die Blüte lächelnd auf, um an ihr zu riechen und sie zurück auf den Stein zu legen.
Nach einer Weile stand er auf und verabschiedete sich von Sheila.
Diesmal wusste er, dass er nicht zurückkehren würde.
“Sie schon wieder!”
Verärgert darüber, dass Ron Kendricks wieder einmal vor ihr stand, versuchte Julia, die Tür zuzuschlagen, aber der lästige Reporter hatte bereits einen Fuß in den Türspalt gestellt.
“Hallo, Mrs. Bradshaw.”
“Was muss man eigentlich machen, damit Sie verstehen, dass Sie hier nicht willkommen sind?”
Unbeeindruckt blickte er über ihre Schulter. “Wo ist denn Ihr Wachhund?”
“Ich bin alleine”, herrschte sie ihn an. “Aber machen Sie sich keine falsche Hoffnungen, Kendricks. Ich bin nicht wehrlos, müssen Sie wissen. Das sollten Sie inzwischen auch mitbekommen haben.”
Er schien sie nicht gehört zu haben, oder es interessierte ihn nicht, was sie sagte. “Ruht er sich jetzt auf seinen Lorbeeren aus?” sagte er sarkastisch. “Der Mann der Stunde. Der große Held.” Er verzog das Gesicht. “Was für eine Scheiße.”
Während Julia versuchte, seinen Fuß zurückzuschieben, lehnte er sich gegen die Tür und versetzte ihr einen heftigen Stoß. “Wollen Sie mich denn nicht reinlassen?”
Verärgert warf Julia die Arme in die Höhe. “Das reicht. Ich rufe die Polizei.”
Bevor sie aber auch nur einen Schritt machen konnte, fasste Kendricks sie am Arm und zog sie zurück. “Nicht so schnell, Blondie. Ich habe Ihnen doch noch gar nicht gesagt, warum ich hier bin.”
Als ihr sein Atem entgegenschlug, zuckte Julia zurück. “Sie sind betrunken.”
“Na ja, ich hab ja nicht viel anderes zu tun, nachdem man mich gefeuert hat.”
Davon wusste sie nichts, und im gleichen Moment tat ihr der Mann Leid, auch wenn sie wusste, dass das dumm war. Noch vor ein paar Tagen hatte sie ihm überhaupt nicht Leid getan, und mit Andrew hatte er kein Mitgefühl gehabt. Ihn hatte nur das Geld interessiert. “So wie ich Sie kenne, ist das Ihre eigene
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