Unschuldig!
wirklich geglaubt, sie könne ihm etwas so Maßgebliches verschweigen? “Ja.” Ihr Herz schlug so fest, dass sie sich fragte, ob Hammond es auch hören konnte. “Ich war eine Zeit lang unterwegs.”
“Und wo waren Sie?”
Einige Sekunden verstrichen, dann sagte sie im Flüsterton: “Bei Pauls Haus.”
Unter dem zerknitterten braunen Jackett strafften sich die Schultern des Detective. “Sagten Sie nicht, dass Sie Paul Bradshaw nicht mehr gesehen hatten, nachdem er am Donnerstagnachmittag auf der 'Hacienda' gewesen war?”
“Ich habe ihn auch nicht mehr gesehen.” Sie war froh, dass die Wahrheit endlich ausgesprochen war, und sprach mit festerer Stimme weiter. “Ich bin zu seinem Haus gefahren, aber ich bin nicht hineingegangen. Ich habe nur im Wagen gesessen und versucht, eine Entscheidung zu treffen. Nach etwa zehn Minuten bin ich dann zurück nach Hause gefahren.”
“Sie sind zu seinem Haus gefahren und haben da einfach nur geparkt? Warum?”
Julia sah aus dem Fenster. Der Frühnebel hatte sich aufgelöst und war einem blauen Himmel und strahlendem Sonnenschein gewichen. Eine milde Meeresbrise wehte durch das geöffnete Fenster in den Raum und trug den frischen, salzigen Geruch der See mit sich. Alles sieht so friedlich aus, dachte sie. Ein ganz normaler Tag. Aber sie wusste, dass von diesem Moment ihr Leben nie wieder so friedlich und normal sein würde.
“Ich hatte an dem Tag etwas erfahren”, sagte sie widerstrebend. “Etwas, das ich mit Paul besprechen wollte.”
Der Blick des Detective war scharf und forschend. “Und was war das?”
Während sie gegen die Panik ankämpfte, kam sie zu der Einsicht, dass sie es ihm ebenso gut sagen konnte. Früher oder später würde er sowieso dahinterkommen. Sie löste sich von der Spüle, an der sie sich in den letzten zehn Minuten festgeklammert hatte, und ging hinüber zur Kücheninsel. Mit einer Hand, die sie versuchte, ruhig zu halten, nahm sie die Butterschale von der Theke und stellte sie zurück in den Kühlschrank. “Am Tag nach Pauls Besuch erfuhr ich, dass er von der Bank meine Hypothek für die 'Hacienda' übernommen hatte.” Indem sie beschäftigt tat, musste sie den Detective nicht ansehen, während sie weiterredete. “Darüber wollte ich mit ihm reden.”
“Und darum fuhren Sie spätabends bis zu Mr. Bradshaws Haus. Und als Sie dort ankamen, überlegten Sie es sich anders und kehrten um.”
Das waren mehr oder weniger ihre Worte, doch als Hammond sie aussprach, klangen sie völlig unglaubwürdig. “Ja”, sagte sie, während sie ihre Schultern straffte und sich wieder zu ihm umdrehte. “Genau das habe ich gemacht.”
“Warum haben Sie es sich anders überlegt?”
Die Angst, die sich ihren Magen verknotet hatte, wurde noch größer. Wie eine Schlinge, dachte sie. “Ich war zu der Ansicht gelangt, dass ich das Thema nicht von mir aus anschneiden sollte. Ich dachte mir, dass er es mir über kurz oder lang von sich aus sagen würde.”
Wieder verzog Hammond den Mund, als versuche er, sich über irgendetwas klar zu werden, dann fragte er sie plötzlich: “Besitzen Sie eine Waffe, Mrs. Bradshaw?”
Seine Angewohnheit, in Schweigen zu verfallen und sie dann auf einmal mit unterschwellig anschuldigenden Fragen zu bombardieren, begann ihr auf die Nerven zu gehen. “Nein.”
“Aber Ihr Exmann. Wir haben in seinem Schreibtisch einen Waffenschein gefunden.”
“Vor einigen Jahren hatte er eine Beretta gekauft, nachdem unsere Nachbarn mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt worden waren.” Sie beobachtete, wie er diese Information auf seinem Notizblock notierte. “Als wir uns getrennt haben, hat er die Waffe behalten.”
“Das überrascht mich. Eine allein stehende Frau mit einem kleinen Jungen – ich hätte gedacht, dass Sie sich schützen würden.”
“Das hier ist eine friedliche Nachbarschaft, Detective. Außerdem mag ich keine Waffen”, fügte sie an. “Und schon gar nicht, wenn ein Kind im Haus ist.”
“Wissen Sie, wo sich die Beretta jetzt befindet?”
“Paul hatte sie immer in einem Schrank im Schlafzimmer liegen. Warum fragen Sie?”
“Weil die Waffe verschwunden ist, Mrs. Bradshaw.”
“Pauls Waffe ist verschwunden?”
Vom Hof her war das Geräusch quietschender Reifen zu hören. Eine Wagentür wurde zugeschlagen, dann eine zweite. Augenblicke später stürmte Penny, gefolgt von Frank, in die Küche.
“Oh, Julia, ich bin sofort hergekommen, als ich es gehört habe.” Penny nahm Hammond kaum wahr, eilte zu
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