Unschuldig!
einem Mann am Steuer bahnte sich langsam den Weg in Richtung Hafen. Neben ihm lachte ein kleines Mädchen glücklich, während der Wind sein Haar in alle Richtungen wirbelte. Das Kind war vielleicht sieben Jahre alt.
So alt wie Steves Kind jetzt auch wäre, wenn es eine Chance zum Leben gehabt hätte.
Die Erinnerungen, gegen die er so hart ankämpfte, stürmten auf ihn ein – Bilder von Sheilas glücklichem Lächeln, als sie ihm sagte, sie sei schwanger, als er sie hochhob und herumwirbelte, um sie dann rasch abzusetzen, weil er fürchtete, er könnte ihrem Baby etwas getan haben.
Sie hatte darüber gelacht, mit ihrem hellen, sprudelnden Lachen, das ihn immer mit Freude erfüllt hatte.
“Du hast ihm nicht wehgetan”, hatte sie gesagt und sein Gesicht zwischen ihre Hände genommen. “Ein Baby muss sich geliebt und gewollt fühlen. Das hast du ihm gerade gezeigt. Oder ihr”, hatte sie mit einem noch nie gesehenen Funkeln in den Augen verkündet.
Sie waren sich zum ersten Mal im Central Park begegnet, an einem strahlenden Nachmittag im April.
Sheila, die in Teilzeit als Schaufensterdekorateurin arbeitete, während sie Innenarchitektur an der New York University studierte, blätterte in einem Buch mit Stoffmustern, als er an ihr vorüberging, mit einem Beutel Sonnenblumenkerne in der Hand. Er war mit ihr über das Taubenfüttern ins Gespräch gekommen und hatte ihr erklärt, dass er als Reporter für die
New York Sun
arbeitete. Nach zehn Minuten war er von der lebhaften Kalifornierin völlig verzaubert gewesen.
Zwar hatte er von dem bekannten Exgouverneur Charles Bradshaw gehört, aber über seine Kinder wusste er nicht viel.
“Ich schätze, ich bin das schwarze Schaf der Familie”, gestand Sheila, als sie ihm die Bradshaws zu erklären versuchte. “Ich hasse Geld. Und ich verabscheue die Politik, die für meine Familie der Lebenssaft ist. Von all den hochkarätigen Karrieren, die sich mein Vater für mich ausgemalt hatte, entschied ich mich dafür, Innenarchitektin zu werden, was er für weit unter dem gesellschaftlichen Status der Bradshaws angesiedelt hält.”
Als Sheila drei Monate später verkündete, dass sie jemandem begegnet sei, den sie heiraten wollte, reagierte Charles exakt so, wie sie es vorhergesagt hatte. Er sagte seiner einundzwanzig Jahre alten Tochter, sie sei noch zu jung und solle derartige Entscheidungen nicht treffen, ohne zuerst nach Hause zu kommen und das mit ihm zu besprechen. Als sie nicht auf ihn hören wollte, legte er auf.
Und als Sheila Wochen später wieder anrief, um ihm zu sagen, dass sie schwanger war, lernte Steve eine Seite von Charles Bradshaw kennen, von der Sheila noch nichts gesagt hatte: seine Engstirnigkeit.
“Meine Tochter”, brüllte der Exgouverneur laut genug, dass Steve ihn quer durchs Zimmer hören konnte, “wird keinen unterprivilegierten Einwanderer heiraten und sein Kind zur Welt bringen, hast du mich verstanden? Ich bestehe darauf, dass du diese Beziehung sofort beendest und herkommst. Wir werden uns mit der Schwangerschaft befassen, sobald du zu Hause bist.”
Charles' Reaktion machte Steve wütend und war ein schwerer Schlag für Sheila, die ihren Vater trotz aller Meinungsverschiedenheiten sehr liebte. Sie war zu stur, um sofort aufzugeben, und rief nach einer Woche noch einmal an, da sie hoffte, dass er sich in der Zwischenzeit beruhigt hatte.
Diesmal war sie diejenige, die den Hörer aufknallte.
Ein paar Tage später änderte sich Steves perfektes Leben grundlegend. Auf dem Weg zur Arbeit ging Sheila am britischen Konsulat vorbei, als eine Bombe vor dem Gebäude explodierte und drei Menschen tötete, darunter Sheila.
Und ihr ungeborenes Kind.
Nach einer halben Stunde meldete sich eine irische militante Gruppe namens
Gleic Éire
und übernahm die Verantwortung für den Anschlag.
Steve raste vor Wut. Er schwor, Sheilas Tod zu rächen, und verbrachte den ganzen Tag im Archiv der
Sun
, um alles zusammenzutragen, was er über die gefürchtete Organisation und ihre Anführer finden konnte.
So wie viele andere terroristische Gruppen wollte auch
Gleic Éire
die Aufmerksamkeit der Medien auf sich lenken. Voller Wut auf eine Regierung, die ihnen ihr Land geraubt hatte, schrieb ihr Präsident – der nie mit seinem Namen unterzeichnete – lange und wortgewandte Briefe an die Verleger der
London Times
und der
Irish Voice
, in denen er forderte, dass sich die Briten aus Irland zurückzogen.
Von Zeit zu Zeit folgten den Forderungen Drohungen, und
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