Unschuldiges Begehren
wirklich?« Faith warf einen Blick auf die Verbindungstür.
»Ja. Ihr beide habt bestimmt sehr viele Sachen zu besprechen, denn schlieÃlich habt ihr euch mehrere Tage nicht gesehen.«
Noch immer klang das Mädchen alles andere als überzeugt. »Ich weià nicht«, meinte es. »Er spricht auch gern mit dir. Weil du nämlich eher in seinem Alter bist als ich.«
Wenn Hailey nicht so aufgewühlt gewesen wäre wegen
dem, was einen Augenblick zuvor zwischen Tyler und ihr vorgefallen war, hätte sie vielleicht über Faiths naive Feststellung gelacht. »Trotzdem glaube ich, ich fahre jetzt besser erst mal heim.«
Dann lieà sie ihren Worten Taten folgen, zog sich eilig an, schnappte sich das Kleid, das sie zum Abendessen hatte tragen wollen, und die überdimensionale Tasche mit den Schwimmsachen und ging zur Tür. »Ich habe deinem Vater schon gesagt, dass ich nicht mit zum Essen kommen kann.« Das war eine dreiste Lüge, doch wenn Tyler andere Menschen täuschen konnte, konnte sie das auch. Und sie wusste, er würde Faith ganz sicher nicht erzählen, dass sie von ihr angelogen worden war. »Ich rufe dich morgen an, okay?«
»Okay«, murmelte Faith enttäuscht. Kurz darauf aber hellte sich ihre Miene wieder auf, und sie fragte in hoffnungsvollem Ton: »Glaubst du, dass Daddy mein geflochtenes Haar gefallen wird?« Ihre Stimme klang so jämmerlich, dass Hailey sich zu ihr hinunterbeugte und ihr einen leichten Kuss auf die Wange gab.
»Er wird davon bestimmt total begeistert sein. Amüsiert euch schön. Wir sprechen uns dann morgen, ja?«
Hailey atmete erst auf, als sie auf halbem Weg nach Hause war. Sie rechnete damit, sekündlich einen Lincoln im Rückspiegel des Jeeps zu sehen, aber offensichtlich hatte ihre Flucht geklappt. Oder vielleicht war es Tyler ja auch einfach vollkommen egal, ob sie mit ihnen essen ging. Sie hatte seine romantischen Avancen abgewehrt, und ein so potenter Mann wie er verschwendete ganz sicher keine Zeit und Energie auf
ein widerspenstiges Weib wie sie. Sicher fände er im Handumdrehen eine andere Frau, die ihm sofort zu Willen war.
Mit zitternden Händen schloss sie ihre Haustür auf. Warum machte der Gedanke an den Kerl und eine andere Frau sie nur derart depressiv? Weshalb rief die Vorstellung, dass er eine andere mit derselben Leidenschaft und gleichzeitigen Vertrautheit küsste und berührte, ein Gefühl gröÃter Verzweiflung in ihr wach?
Um sich abzureagieren und ihr schlechtes Gewissen gegenüber Tylers Tochter zu beruhigen, machte sie tatsächlich ihre Wäsche, wusch ihr Haar, lackierte ihre Nägel, füllte zur Begleichung eingegangener Rechnungen mehrere Ãberweisungsträger aus, steckte sie in einen Umschlag, legte sie, um sie am nächsten Morgen mit zum Briefkasten zu nehmen, auf den Tisch neben der Tür und beschloss, ins Bett zu gehen.
Denn statt sie von ihren traurigen Gedanken abzulenken, hatte die Beschäftigung des Abends ihr gezeigt, wie sterbenslangweilig ihr Leben war. Sie merkte, dass sie überlegte, wohin Tyler mit Faith gefahren war. Sicher hatten sie etwas erheblich Interessanteres gegessen als die Dosensuppe, die von ihr gelöffelt worden war. Wie hatte er wohl reagiert, als er erfahren hatte, dass sie weggelaufen war? Hatte er sich über sie geärgert? Oder sie vielleicht vermisst?
Sie schaltete gerade ihre Nachttischlampe aus, als das Läuten des Telefons sie zusammenfahren lieÃ. Ihr Herzschlag setzte aus und dann in wildem Tempo erneut ein. Ob er das vielleicht war? Aber wollte sie denn
überhaupt schon wieder seine Stimme hören? Gegen ihren Willen betete sie, dass der Anrufer tatsächlich Tyler war.
»Hailey? Hier ist Harmon.«
Sie stieà einen enttäuschten Seufzer aus. »Hallo.«
»Tut mir leid, falls ich Sie geweckt habe, aber ich habe gerade einen Anruf vom Big Boss gekriegt. Wo er auch immer war, anscheinend ist er zurück und dreht total am Rad. Er hat für morgen früh um acht eine Besprechung mit sämtlichen Abteilungsleitern anberaumt. Stellen Sie Ihren Wecker also eine Stunde früher. Ich kann nur allen raten, dass sie pünktlich sind, als er mich nämlich angerufen hat, war er entsetzlich schlecht gelaunt.«
Hailey musste schlucken. »Wâ¦wissen Sie, wieso er so verstimmt geklungen hat?«
»Er klang mehr als nur verstimmt. Ich kann nur hoffen, dass nicht ich etwas
Weitere Kostenlose Bücher