Unser Doktor
direkt Farbe.«
Wir lachten beide.
Er hielt kurz darauf wieder vor einem Bauernhof.
»Bleiben Sie jetzt im Wagen«, sagte er, »die haben einen sehr bissigen Hund hier.«
Er nahm seine Tasche, nahm seinen gewöhnlichen hüpfenden, eiligen Gang an und verschwand im Gebäude.
Er hatte recht. Ein großer Schäferhund jagte über den Hof auf den Wagen zu. Ich sah das kräftige Gebiß, das er freigebig zeigte.
Als der Doktor wieder herauskam, schwieg der Hund. Er zeigte sogar ein schwaches Schwanzwedeln.
Der Doktor stieg ein.
»Lieben sogar die Tiere Sie?« fragte ich.
»Sie werden lachen«, murmelte er, »vor diesem Tier habe ich heute noch Angst. Es hat eine große Rolle gespielt in meiner Laufbahn als Landarzt. Ich kam im Jahre 47 hierher. In der ganzen Gegend gab es bis dahin keinen Arzt.«
»Wie?« fragte ich, »was haben die Leute vorher gemacht?«
»Sie litten etwas mehr Schmerzen als nötig war, und einige starben früher als nötig war«, sagte er lakonisch.
»Der Bauer hier ist ein mißtrauischer Mann. Er war derjenige, der sagte: >Wir brauchen hier keinen Arzt.< Und um es mir ganz und gar zu verleiden, rief er mich nachts an, ich solle kommen. Und der Hund lief frei herum. Erst nachher erfuhr ich, daß er sich diesen Streich im Krug ausgedacht hatte. >Ihr werdet sehen<, hatte er den anderen gesagt, >er wird vor dem Hund Angst haben. Und was sollen wir mit einem Arzt, der Angst vor unseren Hunden hat?< Gott sei Dank erfuhr ich es rechtzeitig. Die Wirtin rief mich an und bereitete mich darauf vor. Aber das Problem blieb. Ich mußte hin. Die ganze Gegend wartete darauf, was ich tun werde.«
»Was haben Sie getan?«
»Es war kein Heldenstück«, murmelte er, »es wird Sie enttäuschen. Ich habe eine Stück Leberwurst gekauft.«
Er seufzte: »Er fraß unsere Wochenration an Wurst. Die wir auf Marken bekamen.«
»Aber es nützte etwas?«
»Wer kaut, beißt nicht«, sagte der Doktor, »mein Bauer war von der Stunde an voller Hochachtung für mich, und eine Nierenkolik tat das übrige.«
Er sah mich an. »Sie lachen«, sagte er, »aber ich mußte die Geschichte meiner Frau beichten. Sie hat dem Hund nie verziehen, daß er uns um eine Wochenration an Fleisch betrogen hat. Sie war mal mit hier, sah den Hund und sagte: >Ist er das?< Ich sagte: >Das ist er.< Da nahm sie einen Knüppel und warf nach ihm. Und der Hund zog den Schwanz ein und verdrückte sich. So ging es also auch.«
Wir kamen an der Kleinbahnstation vorbei, die heute freundlicher aussah. Das machte der helle Himmel.
Wir hielten vor einem Lebensmittelgeschäft.
Eine verwaschene Inschrift zeigte das Wort >Kolonialwaren<.
Der Doktor sagte: »Ich muß hier telefonieren.«
Aber er blieb sitzen. Ich sah ihn an und bemerkte, daß seine Stirn mit Schweiß bedeckt war.
»Ich muß einen Moment sitzen bleiben«, sagte er und zeigte ein geduldiges Lächeln.
»Was ist los?« fragte ich.
Er tat einen tiefen Atemzug, ohne sein Lächeln zu verlieren. »Wissen Sie«, sagte er, »ich bin seit zwölf Jahren magenkrank, und manchmal macht es sich bemerkbar. Ich darf es leider nicht zeigen. Man hält nichts von einem Arzt, der sich anscheinend selber nicht kurieren kann.«
Ganz langsam öffnete er die Wagentür und stieg aus.
Ich sah ihm nach. Sein Gang war deutlich unbeholfener.
Er kam sehr schnell wieder heraus. Er kam an meine Wagenseite. »Würden Sie mir einen Gefallen tun?« fragte er. »Fahren Sie? Nur ein kurzes Stück.«
Ich rutschte auf den Fahrersitz.
»Von hier aus rufe ich immer meine Frau an. Was es gegeben hat. Und jetzt müssen wir eilig los.«
Er sagte mir, wie ich fahren mußte.
»Holen Sie ruhig raus aus dem Wagen, was Sie können.«
»Geht es besser?« fragte ich zurück.
Er wühlte in seiner Tasche und nahm ein Medikament.
»Es wird gleich besser sein«, sagte er, und zum ersten Male bemerkte ich an seiner Stimme eine gewisse Müdigkeit.
Wir fuhren ein Stück durch den Wald, der sich bald öffnete und drei Höfe zeigte.
»Halten Sie, wo der Mann steht«, sagte er.
An der Straße stand ein Mann und sah uns entgegen. Er wurzelte dunkel, regungslos in der schwarzen Erde.
Als ich hielt, sah ich, daß dieser Mann weinte. Er weinte in einer Weise, die mich sehr beeindruckte, er weinte lautlos. Sein Gesicht war tränenüberströmt. Er hob keine Hand, er nahm kein Tuch.
Der Doktor stieg gleich aus, sprach ein paar Worte und ging eilig auf das Haus zu.
Der Mann drehte sich um, ging dem Doktor langsam nach. Er ging, wie er
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