Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)
Computerprogrammierer hatten die Aufgabe, einfache Strategien für dieses Spiel zu finden.
Überraschenderweise schnitt von den vielen an dem Wettbewerb teilnehmenden Programmen die relativ einfache Tit-for-Tat-Strategie (»Wie du mir, so ich dir«) am besten ab. Beim ersten Durchgang kooperiert dieses Programm stets. Wenn der Gegner kooperiert, kooperiert es im Gegenzug, wenn der Gegner verrät, verrät es im Gegenzug. Diese Strategie war erfolgreicher als eine Strategie ständigen Verrats. Besonders überraschend: Tit-for-Tat schnitt gut ab, obwohl viele Programme im Wettbewerb ziemlich hinterlistig waren und Verrat übten, wann immer sie konnten. Aus diesem Programmierer-Contest können wir lernen, dass sich selbst in der rauen Welt feindseliger Computerprogramme die Bereitschaft auszahlt, beim ersten Zusammentreffen zu kooperieren, und dass die Entscheidung zu kooperieren, wenn jemand in vorhergehenden Durchgängen mit einem kooperiert hat, von Vorteil ist.
Gemeinsame Schaltkreise und moralische Empfindungen könnten also Maßnahmen sein, unser Gehirn auf die Tit-for-Tat-Strategie zu programmieren. Bei der ersten Begegnung werde ich Ihre Gefühle mitempfinden, und das wird mich veranlassen, Ihnen zu helfen. Wenn Sie sich revanchieren, helfen wir einander weiterhin, weil wir uns gut fühlen, wenn wir die Freude derer mitempfinden, denen wir helfen, und uns schlecht fühlen, wenn wir das Leid derer erleben, die wir im Stich lassen. Doch wenn Sie mich im Stich lassen, verändern sich meine Gefühle, und ich werde Ihr Leid nicht mehr mitempfinden, sondern bestrebt sein, mich zu rächen. Dieser Auge-um-Auge-Instinkt schützt uns davor, ständig der Dumme zu sein.
Psychopathie – die dunkle Seite der Moral
Psychopathen faszinieren und schrecken uns. Wenn wir sehen, wie Hannibal Lector die FBI -Agentin Clarice in dem Film Das Schweigen der Lämmer manipuliert, sind wir, ob wir es wollen oder nicht, gefesselt von der Mischung aus Intelligenz und Kaltblütigkeit, die dieses Hollywoodporträt eines Psychopathen verkörpert. Gleichzeitig sind wir nervös und furchtsam, weil wir spüren, dass unter Hannibals oberflächlicher Kultiviertheit die Fähigkeit zu schrecklichen Verbrechen schlummert.
Menschen wie Hannibal Lector sind faszinierend. Einerseits scheinen sie gerissen, machiavellistische Manipulatoren der menschlichen Seele zu sein. Andererseits lassen die schrecklichen Untaten, die sie unbarmherzig begehen, darauf schließen, dass es ihnen gänzlich an Empathie fehlt. Daher müssen wir uns fragen, was die Psychopathie tatsächlich kennzeichnet, warum es ihr an Empathie mangelt und warum die sozialen Fertigkeiten des Psychopathen so losgelöst von seinem Empathiemangel zu sein scheinen. Sobald wir das herausgefunden haben, könnten wir nicht nur helfen, die Gesellschaft vor gefährlichen Psychopathen zu schützen, sondern uns auch um ein besseres Verständnis der Moral und der besonderen Selektivität gemeinsamer Schaltkreise für faire Menschen bemühen.
Eine Checkliste zur Erkennung von Psychopathen
Psychopathen gibt es nicht nur in Hollywoodthrillern. Ein großer Teil der Kriminellen innerhalb und außerhalb unserer Gefängnisse sind Psychopathen. Zwar verüben nur wenige so bizarre Verbrechen wie Hannibal Lector, doch die meisten von ihnen verbinden ein Talent zur Manipulation mit einem Mangel an Reue. Wörtlich ist Psychopathie zusammengesetzt aus griechisch psychē (»Seele«) und páthos (»Leiden«), doch die meisten Fachleute bezeichnen mit dem Begriff Menschen, die, ohne den Kontakt mit der Wirklichkeit verloren zu haben, anderen ohne das geringste Gefühl der Schuld oder der Empathie Schaden zufügen. Häufig spricht man statt von Psychopathie auch von Soziopathie, um die soziale Dimension dieser Störung hervorzuheben.
In den letzten Jahrzehnten haben Psychologen und Psychiater die Psychopathie-Diagnose formalisiert, indem sie eine Reihe von Kriterien entwickelten, mit denen wir Psychopathen von gewöhnlichen Kriminellen und anderen Menschen mit psychischen Störungen unterscheiden können. Vor allem Robert D. Hare, emeritierter Professor für Psychologie an der University of British Columbia, hat einen Großteil seiner beruflichen Laufbahn auf die Entwicklung einer Psychopathie-Checkliste verwandt, die Klinikern weltweit die Möglichkeit gibt, Psychopathie verlässlich zu diagnostizieren und zu quantifizieren. 128 Nach diesem Katalog zeichnet sich der typische Psychopath durch eine Kombination von
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