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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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Merkmal vermitteln. 132 Das Vorliegen einer genetischen Veranlagung zur Psychopathie gibt der Evolution unglücklicherweise die Möglichkeit, die Individuen zu selektieren, denen es am besten gelingt, ihre moralischen Empfindungen zu unterdrücken und andere nach Belieben auszunutzen.
    In Zusammenarbeit mit dem holländischen Justizministerium haben meine Doktoranden Harma Meffert, Valeria Gazzola und ich untersucht, ob Psychopathen ihre gemeinsamen Schaltkreise in geringerem Maße aktivieren, während sie die Betroffenheit anderer beobachten.
    Freigang für Patient 13
    Als Patient 13 an diesem Morgen in der S.-van-Mesdag-Klinik, einer mittelalterlich aussehenden Festung bei Groningen, geweckt wird, weiß er, dass heute der Tag der Tage ist. Im Laufe des letzten Monats hat ihn Harma Meffert mehrfach in seiner hochgesicherten forensischen Klinik aufgesucht, um ihn zu fragen, ob er bereit sei, an unserem Experiment teilzunehmen. Als ein Täter, der wegen eines Gewaltverbrechens verurteilt wurde und den höchstmöglichen Wert (40) auf der PCL -R, der Revidierten Psychopathie-Checkliste, erreicht hat, gehört Patient 13 genau zu den Psychopathen, die wir scannen wollen. Irgendetwas in seinem Inneren veranlasst ihn, Menschen Gewalt anzutun, ohne Schuldgefühle zu empfinden, und wir möchten herausfinden, was das ist. Patient 13 gefällt die aufmerksame und höfliche Art, in der Harma ihn fragt, ob er noch immer zur Teilnahme gewillt sei. Wenn er in dieser Weise um einen Gefallen gebeten wird, fühlt er sich wichtig; eine willkommene Abwechslung gegenüber den Befehlen, denen er sich normalerweise fügen muss. Um mögliche Fluchtpläne zu unterbinden, weiß Patient 13 nur, dass er irgendwann in unser Forschungszentrum gefahren wird, nicht aber den genauen Tag. Eine Stunde nach dem Wecken klettert Patient 13 auf dem Parkplatz unseres Instituts schwerfällig – er hat Holzstäbe in der Hose, die ihn am Weglaufen hindern sollen – aus dem gepanzerten Kleinbus. »Schade, dass die Aufmerksamkeit nicht ein bisschen größer ist«, sagt er lächelnd. Mit fesch gestutztem Bart und Haar und seiner ordentlichen Kleidung zeigt er, dass er um einen guten Eindruck auf andere bemüht ist. Die drei kräftigen Wachen an seiner Seite in ihren Sweatshirts sehen wie Trainer und nicht wie Vollzugsbeamte aus, und Patient 13 scheint fast stolz auf sein Gefolge zu sein. Seine Begleiter tragen keine Waffen: Die Holzstäbe scheinen Sicher heit genug zu bieten. Metallgeschosse wären auch gefährlich in der Umgebung des MRT -Scanners. Sobald sich die schwere Tür des Scanners hinter Patient 13 geschlossen hatte, gibt es sowieso kein Entkommen mehr für ihn. In der ersten Hälfte des Experiments messen wir seine Hirnaktivität, während er Filmsequenzen sieht, in denen die Hände zweier Menschen interagieren. In einem der Filme fügt eine Hand der anderen Schmerzen zu, indem sie einen Finger verdreht. In anderen streicheln die Hände einander liebevoll. In wieder anderen sucht eine Hand die andere, doch diese reagiert mit einer barschen wegstoßenden Bewegung. Unsere normalen Kontrollteilnehmer berichteten, der Anblick dieser Filme löse bei ihnen empathische Gefühle aus: stellvertretende Betroffenheit, wenn das Opfer das Leid der Zurückweisung erfahre, und empathische Freude, wenn liebevolle Zärtlichkeiten ausgetauscht würden. Außerdem zeigten die Gehirne dieser gesunden Teilnehmer die Aktivität in den prämotorischen, somatosensorischen und emotionalen Gehirnregionen, die zu erwarten war, wenn sie die Gefühle miterlebten, die das Verhalten der Schauspieler in den Filmen suggerierte. Wir wollten wissen, ob das Gehirn von Psychopathen anders reagiert. Wie die Bezeichnung sagt, ist Patient 13 der dreizehnte von einundzwanzig psychopathischen Individuen, die wir auf diese Weise messen. Er ist höflich, fast charmant, hat aber ein sadistisches Vergnügen daran, uns nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. »Könnte ich noch mal auf die Toilette gehen?«, fragt er. Harma schaut die Wachen an. Die zucken die Achseln. Ihn aus dem Scanner und wieder hineinzulotsen, kostet uns weitere zwanzig Minuten, aber wir haben keine Wahl. Als wir ihn aus dem Scanner führen, zeigt er noch immer sein stereotypes Lächeln. Er genießt die Rollenumkehrung: Er befiehlt, und wir springen. Im zweiten Teil des Experiments, nach seiner Rückkehr von der Toilette, geht Harma in den Scanner-Raum und lässt Patient 13 ähnliche Erfahrungen durchleben, wie sie die

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