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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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einfach den Geräuschen«, sagt sie, verlässt den Raum und schließt die Tür hinter sich.
    Das Experiment beginnt. Aus dem Lautsprecher dringt das Geräusch von Schritten, dann das Klacken einer altmodischen Schreibmaschine, ein Gewitter, dann wieder die Schreibmaschine und so fort. Jedes Geräusch wird von dem charakteristischen »Tock« des Transkraniellen Magnetstimulators ( TMS ) begleitet – des Gerätes also, das die Magnetimpulse aussendet.
    Als der Versuchsteilnehmer gegangen ist, analysiert Lisa die Aufzeichnungen des Computers. Wenn Peter Schritte hörte, zeigte die Linie auf dem Bildschirm die gleiche kleine Spitze wie beim Geräusch des Donners. Bei den Durchgängen jedoch, wo der Teilnehmer das Geräusch der Schreibmaschine hörte, führte der gleiche TMS -Impuls zu einer größeren Spitze, und der Finger bewegte sich stärker. Interessanterweise klappte das nur, wenn die Spule sich links vom Kopf des Versuchsteilnehmers befand – das heißt, über dem Fingerareal des prämotorischen Kortex –, und nicht, wenn sie sich rechts befand. 8
    Wenn wir, wie Affen, Spiegelneuronen für Geräusche hätten, wäre zu erwarten, dass das Geräusch von Handtätigkeiten jene prämotorischen Neuronen aktiviert, die Verbindungen zum primär motorischen Areal für Handbewegungen unterhalten. Ohne den TMS würde das Geräusch von Handtätigkeiten nicht ausreichen, um Handbewegungen auszulösen. Der TMS -Impuls alleine rief nur ein leichtes Fingerzucken hervor. Doch als Geräusch und Impuls zusammenfielen, war das Zucken der Finger messbar größer. Das Experiment zeigt, dass das Geräusch von Handtätigkeiten jene Muskeln erreicht, die wir für die gleiche Tätigkeit verwenden würden – es ist lediglich ein wenig Unterstützung in Form eines TMS -Impulses erforderlich, um den Effekt messbar zu machen.
    Jahre zuvor hatte Luciano Fadiga an unserem Institut in Parma ein ähnliches Experiment durchgeführt, bei dem er sich mit dem Sehsystem beschäftigte. Mit Hilfe eines TMS stimulierte er die Region des primär motorischen Kortex, die für Fingerbewegungen verantwortlich ist. Die Versuchsteilnehmer sahen Filme von Handtätigkeiten sowie Kontrollreize, beispielsweise Bilder von Gegenständen. Die Ergebnisse ließen darauf schließen, dass der TMS -Impuls stärkeres Zucken der Finger auslöste, wenn die Versuchspersonen Handbewegungen sahen.
    Diese TMS -Experimente zeigten, dass visuelle und akustische Wahrnehmungsdaten, die die Handlungen anderer Menschen betreffen, mit den motorischen Programmen des Beobachters zusammenkommen müssen – so wie es zu erwarten war, wenn wir die Existenz von Spiegelneuronen annahmen. Doch an welcher Stelle des Gehirns kommen sie zusammen?
    Von Parma nach Holland: Ein Tag im neuen Labor
    Frühjahr 2004, Groningen, Niederlande: Valeria, die seit einigen Monaten meine Frau ist, und ich sind in ein neues Land und ein neues Labor gezogen. Der Wecker klingelt. Sechs Uhr morgens. Nach einem schläfrigen Frühstück ziehen wir unsere regenfesten Jacken und Hosen an und holen unsere Fahrräder. Wir müssen kräftig in die Pedale treten, um gegen den Wind und den waagerechten Regen zum »NeuroImaging Center« zu gelangen, an dem wir heute noch tätig sind. Anita, die für die bildgebenden Geräte zuständige Technikerin, hat überhaupt kein Verständnis für Verspätungen und findet ein sadistisches Vergnügen daran, uns für die frühestmöglichen Scanzeiten einzuteilen.
    Minuten später liegt Joyce, eine junge Französin in einem pyjamaartigen Outfit, auf einem weißen Bett vor einer großen Röhre, den Kopf festgebunden, Kopfhörer über den Ohren und um den Kopf eine große Spule, die aussieht wie ein Vogelkäfig. Per Knopfdruck befördert Anita sie langsam in die Röhre. Joyce soll im Zuge einer funktionellen Magnetresonanztomografie (f MRT ) getestet werden. Wir erhoffen uns andere Informationen von den bekannten TMS -Studien und weitere Belege dafür, dass Menschen ein Spiegelsystem für Handlungen haben, die sie sehen und hören.
    Der Raum mit dem Magnetresonanztomografen ist erfüllt von dem Geräusch der Pumpe, die den Magneten mit flüssigem Stickstoff versorgt, um ihn auf eine Temperatur von ungefähr minus 180 Grad Celsius zu kühlen – die für Supraleitfähigkeit erforderliche Temperatur.
    f MRT ist eine leistungsfähige Methode zur Messung von Gehirnaktivität, die sich den Umstand zunutze macht, dass Hirnregionen, die gerade aktiv sind, mehr Sauerstoff brauchen. Um diesen Bedarf

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