Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)
dem, per Fragebogen erfassten, Gefühl unserer Teilnehmer zugrunde lag, die Emotionen anderer mitzuempfinden.
Diese interindividuellen Unterschiede hinsichtlich der Fähigkeit, die Gefühle anderer mitzuempfinden, könnten ausschlaggebend dafür sein, dass verschiedene Menschen sehr unterschiedlich auf Filme reagieren. Einige weinen bei einem traurigen Film, andere lässt das kalt. Einige finden Gefallen an Horrorfilmen, während anderen buchstäblich schlecht wird, wenn sie sehen, wie jemandem der Kopf mit einer Axt abgeschlagen wird. Empathische Menschen aktivieren ihre Insel sehr intensiv und werden möglicherweise von den stellvertretenden Gefühlen überwältigt, die Filme in ihnen auslösen. Andere Menschen aktivieren ihre Insel nur schwach und brauchen viel stärkere Reize, um die Gefühle anderer mitempfinden zu können.
Wie beim Handeln bleibt die Frage, was diese Unterschiede verursacht, offen. Vielleicht nehmen empathischere Menschen die Emotionen anderer aufmerksamer wahr oder betrachten die Bilder zwar nicht mit größerer Aufmerksamkeit, verfügen aber in der Insel über stärkere Verbindungen zwischen den visuellen und auditiven Arealen, die den Anblick von Emotionen und die eigenen Gefühlserlebnisse verarbeiten.
Auch Freude wird in der Insel mitempfunden
Unsere erste f MRT -Studie hatte sich mit der negativen Emotion des Ekels beschäftigt, weil wir glaubten, diese Emotion besser als positive Emotionen auslösen zu können. Zum Glück gestattet uns das Leben auch, die Freuden und Vergnügungen anderer mitzuempfinden und zu verstehen. Das Schmatzen und die entzückten Gesichtsausdrücke, die wir manchmal absichtlich zur Schau stellen, um ein Kind zum Essen zu bewegen, zeigen, dass wir intuitiv sehr wohl um unsere Anteilnahme an der Freude anderer wissen. In Mbembas Studie verstärkten wir bewusst die freudige Gesichtsmimik, um herauszufinden, ob auch sie die Repräsentation von Körpergefühlen hevorrief – was der Fall war. Durch den Anblick von Vergnügen wurde die Insel an der gleichen Stelle aktiviert wie während Darbietungen von Ekel, was darauf schließen lässt, dass sowohl unangenehme als auch angenehme physische Repräsentationen durch den Anblick von Gesichtsausdrücken ausgelöst werden können. Auch diese Repräsentationen von Freude waren bei empathischeren Individuen intensiver.
Wenn die Insel uns veranlasst, sowohl angenehme als auch unangenehme Empfindungen mitzuerleben, warum haben Pa tienten mit Läsionen in dieser Region dann nur Probleme mit Ekel und nicht auch mit positiven Emotionen? Ein angeekelter Gesichtsausdruck ist ein nachdrücklicher Hinweis auf die viszeralen Gefühle, die die Insel zu verarbeiten scheint. Dagegen kann ein Lächeln – muss aber nicht – ein Anhaltspunkt für viszerale Gefühle sein. Wenn wir beispielsweise jeden Morgen Kollegen höflich anlächeln, kommt darin kein Empfinden intensiver Freude zum Ausdruck. Folglich wird Ekel am stärksten beeinträchtigt, weil er sehr stark auf viszeralen Empfindungen beruht. Obwohl viszerale Empfindungen ein Quell des Glücks sein können, hängt Glück nicht in dem Maße von viszeralen Empfindungen ab wie Ekel. Um einen Vergleich zu bemühen: So wie die Insel für Ekel wichtiger ist als für Glück ist unser Kälteempfinden für das Erkennen von Eiskrem wichtiger als für das Erkennen von Orangensaft, obwohl Eiskrem und ein Glas gut gekühlter Orangensaft unser Kälteempfinden gleich stark aktivieren können. Glück können wir auch an anderen, nicht-viszeralen Komponenten erkennen – so wie Kälte ein Faktor beim Genuss eines Glases Orangensaft sein kann, unsere Fähigkeit, Orangensaft zu erkennen, aber nicht durch Verlust unseres Kälteempfindens beeinträchtigt würde.
Trotzdem können viszerale Empfindungen ein Quell des Glücks sein, zumal wenn sie das Essen betreffen, und die hat Mbemba offenbar mit seiner Untersuchung erfasst.
Mit der Reihe dieser Experimente kamen wir der Antwort auf die Frage, wie wir andere Menschen verstehen, einen wichtigen Schritt näher. Wenn wir die Handlungen und Emotionen anderer Menschen erleben, sorgt unser Gehirn dafür, dass wir sie mitempfinden, indem es Regionen aktiviert, die normalerweise für die Ausführung solcher Handlungen oder das Erleben solcher Emotionen zuständig sind. Das Prinzip, das zunächst bei Handlungen beobachtet worden war, erwies sich also als allgemeiner. Es scheint auch für Emotionen zu gelten: Ich kann fühlen, was du fühlst.
Die Macht der
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