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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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häufiger auf als irgendein anderer einzelner Ausdruck, wodurch die entsprechenden synaptischen Verbindungen intensiv und selektiv verstärkt werden. Außerhalb solcher Nachahmungsphasen kommt es sicherlich ähnlich häufig zu vielen verschiedenen Gesichtsausdrücken, während das Kind ein bestimmtes Gefühl erlebt, daher gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass ein bestimmter Gesichtsausdruck fälschlicherweise mit dem inneren Zustand des Kindes verknüpft wird. Hierbei kann es allerdings wichtige Ausnahmen geben. Ein zorniger Elternteil könnte beispielsweise gröber mit dem Kind umgehen, dann wird der zornige Gesichtsausdruck beim Kind möglicherweise nicht mit einer zornigen, sondern mit einer beklommenen Gefühlsregung verknüpft. Diese Ausnahmen scheinen unsere Hypothese zu bestätigen, denn unsere Reaktion auf zornige Gesichtsausdrücke ist häufig ambivalent: Wir empfinden eine Gefühlsmischung aus Zorn und Beklommenheit.
    Der dritte Faktor, der das Hebb’sche Lernen bahnt, sind äußere Faktoren, die den Säugling und die Menschen in seiner Umgebung auf ähnliche Weise beeinflussen. Ein unangenehmer Geruch kann Menschen veranlassen, zur gleichen Zeit Ekel zu empfinden, und ein lautes Geräusch kann bewirken, dass Menschen im selben Augenblick überrascht oder erschreckt aussehen. Diese gemeinsame Erfahrung sorgt dafür, dass der Gesichtsausdruck der Menschen in der Umgebung des Säuglings dessen Gemütszustand spiegelt.
    Verknüpfung somatosensorischer und motorischer Spiegelung
    Hebb’sches Lernen kann in einer Vielzahl von Fällen erklären, warum ein Individuum seine eigenen Handlungen, Empfindungen und Emotionen mit denen anderer verbindet und auch verschiedene innere Aspekte seiner Handlungen und Emotionen miteinander verknüpft. Wenn wir eine Handlung vornehmen, aktivieren wir unsere prämotorischen Programme für die Ausführung der Handlung, sehen und hören wir unsere eigenen Handlung, spüren aber auch die somatosensorischen Folgen dieser Handlung. Beispielsweise werden unsere primär und sekundär somatosensorischen Kortexregionen beim Greifen aktiv, weil unsere Gelenke und Muskeln sich in unserem Körper bewegen und weil unsere Finger den Gegenstand zwischen sich spüren. Diese somatosensorischen Konsequenzen sind eng mit dem motorischen Befehl verbunden, die Handlung auszuführen, und mit dem Anblick und Geräusch der Handlung. Das legt den Gedanken nahe, dass wir, während wir die Handlungen anderer sehen oder hören, nicht nur unseren prämotorischen Kortex aktivieren, sondern auch unseren somatosensorischen Kortex, und dass wir das Gefühl mitempfinden, dass man bei Ausführung der Handlung aus motorischer und somatosensorischer Perspektive erlebt. In einer Reihe eleganter Experimente lieferte Valeria den Beweis für genau diese Hypothese: Jedes Mal, wenn wir ein Objekt ergreifen, aktivieren wir nicht nur unseren motorischen Kortex, der uns veranlasst, diese Handlung auszuführen, sondern auch die primär und sekundär somatosensorischen Regionen, denen wir es verdanken, dass wir unsere Arm- und Handbewegungen spüren, wenn wir nach dem Gegenstand greifen, und dass wir erleben, wie sich der Gegenstand anfühlt, wenn wir ihn berühren. Wenn wir sehen, wie jemand anders ein Objekt ergreift, aktivieren wir interessanterweise neben den motorischen Kortexbereichen auch unsere somatosensorischen Areale, so als würden wir den Gegenstand selbst ergreifen. Angesichts der Tatsache, dass der somatosensorische Kortex uns normalerweise ermöglicht, die Bewegungen unseres eigenen Körpers zu spüren und Berührung von Gegenständen auf unserer Haut wahrzunehmen, könnte diese stellvertretende somatosensorische Aktivität entscheidend dazu beitragen, dass wir fühlen, was andere fühlen, wenn sie bestimmte Handlungen ausführen. 9, 19, 70, 90
    Die Hebb’sche Verknüpfung sensomotorischer und moto rischer Elemente könnte im Fall von Gesichtsausdrücken eine besondere Rolle spielen. Da wir zwei motorische Systeme zur Steuerung unserer Gesichtsausdrücke haben, ein kaltes und ein warmes, stellt sich die Frage, welches der beiden wir mobilisieren, wenn wir die Gesichtsausdrücke anderer beobachten. Aus hebbscher Sicht lautet die Antwort: Beide Systeme werden aktiv. Bei emotionalen Gesichtsausdrücken werden sich bestimmte somatosensorischen Neuronen, die repräsentieren, was für ein Gefühl es ist, hochgezogene Mundwinkel zu haben, mit Neuronen im warmen motorischen System verschalten, die mit spontanem

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