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Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition)

Titel: Unser empathisches Gehirn: Warum wir verstehen, was andere fühlen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Keysers
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–, so werden diese beiden Neuronen zwar gelegentlich zusammen feuern, meistens aber nicht. Falls die Schulterbewegung den Arm veranlasst, diese bestimmte Stelle meines Gesichtsfeldes zu durchqueren, kommt es zu gemeinsamem Feuern, doch es gibt auch viele andere Bewegungen, die meinen Arm durch diese Stelle des Gesichtsfeldes führen können, und viele Schulterbewegungen, die den Arm nie an diese Stelle bringen. Der Mangel an einer engen Aktivitätspaarung zwischen diesen beiden Neuronen bedeutet, dass sie durch Hebb’sches Lernen niemals verlässlich verknüpft werden.
    Im Gegensatz zu den nahe der Netzhaut gelegenen Stadien des Sehsystems, in denen der Anblick der Handlungen anderer je nach unserem Blickwinkel verschiedene Neuronen aktiviert, repräsentieren Neuronen in den höheren Arealen der Sehrinde, die komplexeren Input aus früheren Stadien empfangen, bestimmte Handlungen unabhängig von diesem Blickwinkel. Auch im motorischen System gibt es diesen Unterschied. Anders als im primär motorischen Kortex, wo das Greifen von ganz verschiedenen Neuronen erfasst wird, je nach der Richtung des Greifens und der Frage, ob die linke oder die rechte Hand beteiligt ist, sind im prämotorischen Kortex und hinteren Parietallappen gleiche Neuronenkomplexe an vielen verschiedenen Fällen des Greifens beteiligt. Infolgedessen ergibt sich unmittelbar aus dem Hebb’schen Lernen, dass sich Spiegelneuronen genau zwischen den Verbindungen der höheren visuellen Areale im Temporallappen, dem parietalen und dem prämotorischen Kortex, bilden.
    Vorhersagen lernen
    Beim Hebb’schen Szenario vernachlässigen wir einen wichtigen Aspekt: die Zeit. Wenn Ihr prämotorischer Kortex Ihrem Körper einen Befehl erteilt, dauert es einige Zeit, bis der Befehl Ihren Körper tatsächlich bewegt, und noch einmal Zeit, bis Ihr Auge und Ihre Sehrinde diese Bewegung verarbeitet haben. Diese Verzögerungen sind nicht riesig, aber messbar: Sie betragen rund 0,3 Sekunden. Die Folge dieser Verzögerung ist allerdings bedeutsam. Wenn Sie die Hand nach einem Glas ausstrecken, um es zu ergreifen, ist Ihr prämotorischer Kortex zu dem Zeitpunkt, wo ihm das Sehsystem Informationen über Ihr Handausstrecken übermittelt, bereits damit beschäftigt, das Glas zu ergreifen. Das, was zusammen mit dem motorischen Programm zum Greifen feuert und sich infolgedessen auch mit diesem vernetzt, ist demnach der Anblick des Handausstreckens. Natürlich dauert dieses Ausstrecken selbst länger als 0,2 Sekunden, deshalb überschneidet sich der Beginn des Beobachtens des Greifens zeitlich mit dem Ende des motorischen Befehls für das Greifen, doch die Verzögerungen im System sorgen dafür, dass die Beobachtung einer Handlung auch auf Hebb’sche Art mit dem motorischen Programm der normalerweise darauf folgenden Handlung verknüpft wird. Infolgedessen sind die Hebb’schen Verknüpfungen, die wir in unserem Spiegelsystem anlegen, nicht nur ein Abbild dessen, was in unser Auge eintritt, sondern auch eine Vorhersage dessen, was die Menschen um uns her wahrscheinlich als Nächstes tun werden. Und diese Vorhersagen sorgen dafür, dass wir trotz der Verzögerungen in unserem Gehirn unser Verhalten mit dem anderer synchronisieren können.
    Ergänzen lernen
    Das Vorhersagevermögen des Hebb’schen Lernens hat noch eine weitere Konsequenz. Wenn Sie mir einen 50-Euro-Schein geben, nehme ich das Angebot erfreut an und ergreife ihn (danke schön!). Im Allgemeinen folgt Nehmen zuverlässig auf Geben. Meine motorische Repräsentation des Greifens ist daher gleichzeitig mit meiner visuellen Repräsentation Ihres Gebens aktiv, was darauf schließen lässt, dass es im prämotorischen Kortex Neuronen gibt, die sowohl während der Ausführung des Greifens als auch während der Beobachtung des Gebens feuern. Das ist in der Tat der Fall. 24 Diese Neuronen sind keine Spiegelneuronen, weil sie verschiedene Handlungen untereinander assoziieren, aber sie können sehr wichtig für soziale Interaktionen sein und scheinen auf dem gleichen Hebb’schen Prinzip zu beruhen.
    Hebb’sches Lernen erleichtert die Entstehung gemeinsamer Schaltkreise
    Hebb revolutionierte die Psychologie, weil er bewies, dass sich geistige Funktionen mit Hilfe mechanistischer Prozesse im Gehirn erklären lassen. Spiegelneuronen und gemeinsame Schaltkreise nutzen diese Mechanismen für soziale Kognition.
    Neuronen, die zusammen feuern, vernetzen sich – und vernetzen Menschen, könnte man hinzufügen. Das Gehirn muss

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