Unser geraubtes Leben - Die wahre Geschichte von Liebe und Hoffnung in einer grausamen Sekte
Mädchen unerwähnt.« 58 Es ist das geheimste Verbrechen.
Zu den Misshandlungen der Mädchen gehört auch sexuelle Gewalt. Nachdem Waltraud in ihrer Angst und Verwirrung die kleine Szene bei den Strohballen Schäfer zum Opfer gebracht hat, muss auch sie ihren Körper betasten lassen. Sie muss ihren Fuß auf einen Hocker stellen.
Das Kind ist zutiefst erschrocken über Schäfers intime, zudringliche Berührungen. So etwas kennen die Mädchen nicht. »Wehe, du sprichst mit einem darüber, das darfst du nicht!«, schärft Schäfer ihr ein. Sie wüsste noch nicht einmal, mit welchen Worten sie darüber sprechen sollte.
Dann folgt das, was Bernd und Waltraud »die schreckliche Trennung« nennen. Jungen und Mädchen werden getrennt und dürfen nicht mehr miteinander spielen.
Noch ist Ferienzeit, keine Schule. Dann müssen sie nicht ganz so früh aufstehen. Plötzlich werden sie aus dem Bett geworfen von den »Gruppentanten«. Nur Turnhose und Hemd an, Zöpfe flechten und dann raus. Aber Waltraud ist noch zu klein, sie kann keine Zöpfe flechten.
»Zack, zack, zack«, schreit die Gruppentante, »mach, dass du dich gekämmt kriegst.« Verzweifelt zwirbelt sich Waltraud zwei Zöpfe an der Stirn zurecht. Es sieht wohl schrecklich aus, denkt Waltraud, denn die Gruppentante lacht über sie.
Jedes der kleinen Mädchen bekommt eine große Hacke, die sie sich über die Schulter legen müssen, dann müssen sie geschlossen den Berg hochmarschieren. Keine darf reden.
Die Kinder sind sieben, acht Jahre alt, klein und schmächtig. Als sie oben auf dem Berg angekommen sind, die schwere Hacke für Erwachsene auf den schmalen Schultern, müssen sie Dornen und Disteln aushacken und Steine ausgraben. Das wirkt wie ein inszenierter Bibelvers:
… verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen. 59
Trockenes Brot. Und wenig Wasser. Mehr gibt es nicht.
Im Unterhemd und in kurzer schwarzer Hose hacken sie nun bei sengender Hitze auf den Äckern Unkraut und sammeln Steine. Die Feldarbeit wird immer wieder unterbrochen, weil die Mädchen einzeln herausgerufen werden. Auf dem großen Acker stehen kleine Buschinseln, dorthin werden sie gerufen. Dort schlägt man sie und bearbeitet die Kinder mit Elektroschockgeräten, Viehtreibern. »Brenner« nennt Waltraud sie. Weil sie so brennend schmerzen. Auf den nackten Unterleib und zwischen die Beine. Alle Mädchen hören die Schreie der anderen. So wird die Qual vervielfacht.
Niemand sagt ihnen, warum das alles geschieht. Wenn sie danach fragen, gibt es noch mehr Schläge.
Dieses geschieht am Tage.
Doch auch nachts gibt es keinen sicheren Ort. Mitten in der Nacht packen zwei Frauen Waltraud, reißen sie aus dem Schlaf und aus dem Bett, halten ihr Mund und Augen zu und drückensie gewaltsam in ein großes Federbett, sodass sie nicht schreien kann. Dann folgen Schläge und Elektroschocks auf den nackten Kinderkörper. Unerträgliche Schmerzen. Atemnot und Todesangst. Sie verliert das Bewusstsein.
Wie es endet und wer ihre Folterer sind, weiß Waltraud bis heute nicht.
Das alles geschieht über lange Zeit. Wie lange, wissen Waltraud und die anderen Mädchen nicht, denn traumatische Erlebnisse können das Zeitgefühl zerstören. Außerdem droht man den Mädchen, fremde Leute würden sie abholen, weil sie so schlecht seien. Jedes fremde Gesicht löst nun Panik aus.
Willkürlich werden Einzelne ausgewählt, als »besonders schlimm« bezeichnet. Diese müssen mit großen Werkzeugen wie Hacken und schweren Brechstangen in einem trockenen Flussbett Steine aus dem Boden holen. Die Schläge und die Elektrofolter werden dabei fortgesetzt. 60 Um diese Aktion liegt etwas Geheimnisvolles, aber Waltraud weiß nicht, was es ist.
Wie gute Menschen böse werden
Aber wo sind die Eltern? Die meisten Eltern dieser Kinder leben auch in der Kolonie. Sicher versuchen sie alles, um ihre Kinder zu schützen?
Nein.
Das ist schwer hinzunehmen, aber es ist die Wahrheit: Diese Eltern tun nichts für den Schutz ihrer Kinder. Schlimmer noch: Schäfer lässt sie entscheiden, und sie entscheiden sich gegen ihre Kinder.
Schäfer beruft eine große Versammlung von Eltern und Erziehern ein und behauptet, die fünf- bis neunjährigen Kinder hätten Geschlechtsverkehr gehabt. Miteinander.
Natürlich glauben die Eltern ihm
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