Unser Leben mit George
quollen. »Kannst du es
nicht einfach liegen lassen, wie es die anderen machen?«
Zusätzlich mussten wir auf jedem Weg
fünf bis sechs Mal stehen bleiben, damit George Zeit hatte, die
Straßenmöblierung zu bewässern. Als wir ihn von Mrs Colman mitgenommen hatten,
war er mehr oder weniger stubenrein gewesen, aber während der ersten Wochen bei
uns war das ›weniger‹ wieder in den Vordergrund getreten, und es gab ziemlich
viele Pfützen. Nachdem ich mein Cavalier-Handbuch zu Rate gezogen hatte, verbrachte
ich nun viele Stunden mit George neben Laternenpfählen, wo ich ihn mit »Nun
komm schon!« und »Sei brav!« anfeuerte, während ich gleichzeitig
versuchte, nicht den Eindruck zu erwecken, als hielte ich Ausschau nach einem
Freier. Zum Glück erinnerte sich George bald wieder an die Freuden des Pinkelns
im Freien. Sobald wir das Haus verließen, schoss er auf den nächsten
Laternenpfahl zu, wobei Joshua und ich mitgezogen wurden wie Wasserskiläufer
hinter einem Rennboot. Das Buch empfahl, dem Hund viel positive Rückmeldung zu
geben, also streichelten wir ihn jedes Mal ausführlich und versicherten ihm,
was für ein braver Hund er sei.
George wurde gern gelobt, und so hörte
es nun gar nicht mehr auf. Nach der Flut am ersten Laternenpfahl ging es zum
nächsten, wo es nur noch zu einem Mini-Strahl reichte, von dort zu einem
Poller, der mit ein paar Tropfen bedacht wurde, dann zu einem Baum, wo... ja,
wo eigentlich gar nichts mehr passierte. Wahrscheinlich konnte er zwischen
einer sinnvollen Handlung und einer leeren Geste noch nicht recht
unterscheiden, denn er bestand darauf, sein Bein an jeder senkrechten Fläche zu
heben, an der wir vorbeikamen, egal, ob es notwendig war oder nicht. Jedes Mal
wedelte er erfreut und grinste uns stolz und mit glänzenden Augen an. »Gut
gemacht, George, gut gemacht!«, gurrten wir zur Verwunderung jener Passanten,
die zufällig bemerkt hatten, dass alles trocken geblieben war. Vielleicht
hielten sie mich auch für leicht verrückt.
Es gab noch mehr Nachteile, wenn George
uns zur Schule begleitete. Erstens dauerte der Weg, für den wir früher zwanzig
Minuten gebraucht hatten, jetzt locker eine Dreiviertelstunde, da wir dauernd
stehen blieben, ab und zu Häufchen aufnehmen und George zwischendurch immer
wieder loben mussten. Zweitens wurde ich in der Nachbarschaft langsam
unbeliebt. Es reichte offenbar nicht, dass ich gewissenhaft jedes Häufchen
aufsammelte. Nein, den Blicken nach zu urteilen, mit denen einige Nachbarn mich
bedachten, schien es bereits ein Verstoß gegen den guten Ton zu sein, wenn ich
meinem Hund erlaubte, auf der Straße das Bein zu heben, für manche gewiss ein
ähnlich schwerwiegendes Verbrechen wie das Anzünden einer Zigarette auf einer
Entbindungsstation.
Ich hatte immer gedacht, wir Engländer
seien Hundeliebhaber. Aber das Gegenteil schien der Fall zu sein. In Frankreich
essen Hunde immer noch in den besten Restaurants. In den Vereinigten Staaten
werden jede Woche neue Schönheitssalons für Hunde eröffnet. In Melbourne haben
Hunde sogar ihre eigene Cappuccino-Bar. Aber hier in Hampstead, im Nordwesten
von London, war George aus allen Cafés, Restaurants, Läden und
unerklärlicherweise sogar aus dem Postamt verbannt. Ich stellte bald fest, dass
es unmöglich war, irgendwelche Erledigungen zu machen, wenn George dabei war.
Einmal hatte ich den Fehler gemacht, ihn ins Brent-Cross-Einkaufszentrum
mitzunehmen, weil mir plötzlich eingefallen war, dass ich neue Glühbirnen
brauchte. Als ich mit ihm die Lampenabteilung von John Lewis betrat, erschienen
die Sicherheitsbeauftragten so schnell und so zahlreich, als hätte ich
versucht, eine Bombe ins Geschäft zu schmuggeln. Ich protestierte, weil es an
der Tür keinerlei Hinweis gab, dass Hunde unerwünscht waren, und versicherte,
dass George nichts Unrechtes tun würde. Da ich ihn trug, berührte er ja nicht
einmal den Boden des Geschäfts. Aber es half nichts. Während man mich zügig zur
Tür begleitete, wurde mir unmissverständlich klargemacht, dass ich, wenn ich
mit meinem Hund einkaufen wolle, das im Kaufhaus von Peter Jones, Sloane
Square, Chelsea, tun könne. Dort gibt es eigens einen Dispens für Hunde, damit
die Corgies der Königin mit hineindürfen. Man führt dort Buch über jeden
vierbeinigen Kunden, der sich danebenbenimmt. Die Regeln sind ähnlich wie beim
Fußball: zwei Verstöße, und man ist für immer draußen.
Der beste Freund des Menschen wurde
allmählich zum Sündenbock. Ich
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