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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Summers
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bezahlte.
    »Kaum!«, versicherte ich ihm.
    »Tja, also, obwohl George immer noch
sehr mager ist, hat er doch ein wenig zugenommen, genauer gesagt 0,4 Kilo.« Er
blinzelte mich an wie ein Detektiv, der versucht, einen Verdächtigen zu
überlisten. »Er muss etwas fressen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, was das
sein könnte.«
    »Vielleicht sollten Sie ihn zu Ihrer
eigenen Beruhigung in Zukunft jede Woche einmal zum Wiegen bringen, damit man
seinen Fortschritt verfolgen kann.«
    Überzeugt, dass mein armer Hund unter
einer Essstörung litt, ging ich also wöchentlich mit George in die Praxis, um
ihn wiegen zu lassen. Zum ersten Mal seit Udis Tod war ich froh, dass er ein
Erlebnis nicht mit mir teilte — er hätte sich köstlich amüsiert. Er hatte immer
behauptet, ich sei eine neurotische Mutter, die sich um Joshuas Ernährung und
Gesundheit unnötige Sorgen macht. Das war natürlich Unsinn. Ich war ganz
normal. Wenn Joshua leichtes Fieber hatte, war ich, wie alle Mütter, überzeugt,
dass es der Beginn einer lebensbedrohlichen Krankheit war, und rief den Arzt
an, egal wie spät es war. Und wenn er einen Schnupfen hatte, dann bekam er eine
so dicke Schicht Wick auf die Brust geschmiert, dass es für einen
Kanalschwimmer von Dover nach Calais gereicht hätte. Als er meine
selbstgemachte Pastete aus Fisch und Biospinat sowie den gesunden
Apfelstreuselkuchen aus Vollkornmehl verschmähte, weil ihm Tiefkühlpizza und
Schokoladenkekse besser schmeckten, machte ich mir Sorgen, dass er zu viel Fett
und Zucker zu sich nahm und zu wenig Vitamine, Spurenelemente, Eiweiß und
Ballaststoffe. Nun also war es die Ernährung meines Hundes, die mich
verzweifeln ließ. Und statt besser zu werden, wurde es noch schlimmer mit ihm.
    Eines Tages, etwa vier Monate nachdem
wir George bekommen hatten, hörte er ganz und gar auf zu fressen. Ich ließ das
verhasste Trockenfutter sausen und bot ihm Katzenfutter aus der Dose an, dann
Rührei mit kleingehackter Biohähnchenbrust, aber er wollte nichts fressen,
obwohl ich stundenlang neben ihm auf dem Boden saß und versuchte, ihn von Hand
zu füttern. Der arme kleine Kerl lag einfach nur lustlos da, er hatte alle
Lebensfreude und Energie verloren. Und dann fing er an zu erbrechen — auf dem
Teppich, auf den Sofas und schließlich auch noch auf meinem Bett. Mein Gott,
dachte ich, er ist nicht nur magersüchtig, jetzt leidet er auch noch unter
Bulimie! Große Klumpen irgendeiner gelben Substanz durchsetzten das Erbrochene.
    »Mum?«, sagte Joshua, der gerade nach
oben kam, als ich kniend eine weitere Pfütze Erbrochenes wegwischte. »Weißt du,
wo mein Ball ist? Du weißt schon, der gelbe, aus Schaumgummi?«
    Wir schnappten uns George, rannten zum
Auto und fuhren zum Tierarzt — ein Weg, den mein Auto so gut kannte, dass es
praktisch allein hin fand. Unser Cavalier wirkte nicht viel lebendiger als ein
Stück Fleisch auf dem Block des Metzgers, wie er dort auf dem Untersuchungstisch
lag und der Tierarzt ihn vorsichtig betastete, während Joshua und ich in Tränen
aufgelöst daneben standen. Als man ihn röntgte, zeigte es sich, dass sein
ganzer Verdauungstrakt mit einer schwammigen, undefinierbaren Masse gefüllt
war. Statt zu operieren, riet der Tierarzt, ihn sorgfältig zu beobachten und am
nächsten Tag wiederzukommen.
    Joshua und ich wachten die ganze Nacht
bei George. Monster Mog leistete uns Gesellschaft und schnurrte zufrieden. Zu
ihrer grenzenlosen Enttäuschung aber war ihr Rivale am nächsten Morgen schon
wieder fast der Alte, und nachdem der Tierarzt seinen Verdauungstrakt noch
zweimal geröntgt hatte, entschied er, dass eine Operation nicht nötig sei. Die
letzten Reste des gelben Balles traten vierundzwanzig Stunden später wieder
zutage, und zwar mitten auf dem Zebrastreifen der Hauptstraße von Hampstead.
Aber die weiteren Einzelheiten darüber möchte ich mir ersparen.
    George hatte uns auf höchst
eindringliche Weise klargemacht, dass er alles andere lieber fraß als Trockenfutter.
Ehrlich gesagt, ich konnte es ihm nicht verdenken — ich hätte es auch nicht
gemocht. Da ich den großen Sack, den ich gekauft hatte, nicht verschwenden
wollte, verstreute ich den Inhalt auf dem Rasen in der Annahme, dass die Vögel
es sicher mit Begeisterung aufpicken würden. Aber auch sie mochten es nicht.
Selbst die Füchse in unserer Gegend verschmähten es. So lag das Zeug wie kleine
braune Steinchen zwei Wochen lang auf dem Rasen, bis es schließlich aufweichte
und im Boden

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