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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Summers
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einer von beiden hatte das Fenster von
außen mit streng riechendem Urin besprüht. Im nächsten Augenblick verbreitete
sich ein unerträglicher Gestank im Schlafzimmer, als sei ein Stinktier
eingedrungen.
    Wieder zog ich Mantel und Turnschuhe
an, nur wurde diesmal mein Ensemble durch ein Paar gelber Gummihandschuhe
vervollständigt. Mit einem Eimer heißem Wasser, in das ich einen guten Schuss
Desinfektionsmittel getan hatte, begab ich mich wieder in Finsternis und Regen
hinaus, balancierte vorsichtig die glitschige Böschung im Vorgarten hinab und
wusch mein Schlafzimmerfenster ab.
    Trotz aller Anstrengung war der
ekelhafte Geruch immer noch nicht ganz weg, als ich endlich ins Bett fiel.
Wieder zum Streifen Niemandsland geworden, starrte ich trübsinnig an die Decke.
Eigentlich hatte ich ja nichts gegen Tiere im Schlafzimmer — aber so hatte ich
es mir nicht vorgestellt.
    Die Sache war mir entglitten. Mein Heim
wurde von Tieren regiert. Und eins davon schickte sich an, mein Feben zu
regieren.



9.
Kapitel
     
    Als Schriftstellerin und Journalistin
wusste ich, wie wichtig es ist, sich zunächst gründlich über sein Thema zu
informieren. Ein Schriftsteller trägt erst einmal alles zusammen, was
dazugehört, ehe er auch nur ein Wort zu Papier bringt. Diese Arbeit sorgt nicht
nur für die Architektur des Buches oder des Artikels, an dem man arbeitet,
sondern auch für Ziegelsteine und Mörtel. So entsteht ein solides Gerüst, das
man dann mit den Einzelheiten der Geschichte füllt. Wenn man diese Arbeit
sorgsam ausführt, kann man schließlich das Wichtige vom Unwichtigen
unterscheiden und alles weglassen, was nicht gebraucht wird. Man weiß, wohin
man will und wie man hinkommt. Mit anderen Worten, man weiß, wo man steht.
    Wenn man sich andererseits über sein
Thema nicht gründlich informiert hat, gleicht man einem Zug, der aus den
Schienen gesprungen ist. Er ist außer Kontrolle geraten und man hat nicht die
leiseste Ahnung, wohin man fährt oder — und das ist in diesem Zusammenhang
besonders wichtig — wie viel kostbare Zeit die Reise noch verschlingen wird.
    Da ich das alles sehr gut wusste,
scheint es merkwürdig, dass ich — obwohl ich mich bestens über die Geschichte
dieser Rasse informiert hatte — keinerlei Erkundigungen darüber eingezogen
hatte, welche Pflege ein reinrassiger Cavalier King Charles Spaniel benötigt,
bis ich bereits einen besaß. Hund war Hund — soweit ich es sah. Man fütterte
ihn, gab ihm frisches Wasser, man hielt ihn warm, ging häufig mit ihm ins
Freie, verwöhnte ihn und überschüttete ihn mit Zuneigung. Ich hatte keine
Ahnung, dass Cavaliere irgendwie anders waren: zum Beispiel wie wählerisch sie
sein können, wenn es ums Futter geht, wie oft man mit ihnen beim Tierarzt
landet, was für Schwierigkeiten sie mit den Zähnen haben können, kurz — wie
mühsam das Halten eines Cavaliers sein kann.
    Vielleicht hatten die Probleme, die wir
bekamen, nachdem George in unsere Familie gekommen war, aber auch gar nichts
mit Cavalieren im Allgemeinen zu tun. Vielleicht lag es nur an George.
    Vielleicht lag es aber auch an mir.
    Von all ihren wunderschönen Cavalieren
war George Mrs Colmans Liebling gewesen. Deshalb hatte sie, ehe sie mir
erlaubte, mit ihm auf und davon zu gehen, auch darauf bestanden, dass ich in
ihrem Cavalier-Museum Platz nahm und mir ihre Zusammenfassung über die
wichtigsten Punkte zur Haltung eines Cavaliers anhörte. Er müsse x-mal in der
Woche gebürstet werden, sagte sie, er müsse x-mal am Tag frische Kutteln,
Hundekuchen und Trockenfutter bekommen, dem ich jeweils die Hälfte einer
Knoblauchkapsel hinzufügen sollte. Alle paar Tage habe dieses oder jenes zu
geschehen. Immunisierungen, Impfungen, Krallenpflege, Körperpflege, Erziehung,
Stubenrein-Training, Zahnreinigung... ich versuchte, mich auf das, was sie mir
erzählte, zu konzentrieren, aber ich war so überwältigt von dem, was ich soeben
getan hatte — ich hatte mir tatsächlich einen Hund zugelegt! — , dass alles zu
einem Ohr hinein- und zum anderen wieder hinausging.
    Erst nach einigen Wochen und nachdem
ich in unserem Antiquariat ein altes Buch über Cavalier King Charles Spaniels
gefunden hatte, dämmerte mir, was ich mir da aufgeladen hatte. Ich merkte, ein
Cavalier war kein gewöhnlicher Hund. Es war ein arbeits- und pflegeintensives
Geschöpf — die Victoria Beckham aller Rassehunde. Damit spreche ich nicht von
Einkaufsbummeln. Bis jetzt besitzt George kein einziges Kleidungsstück. Er

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