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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Summers
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ausbrach, was ihr fast
jedes Mal gelang (Blackie hatte ihr offenbar ein paar Tipps zu diesem Thema
gegeben), kam sie ohne zu zögern mit ihrem auserwählten Playmate des Monats zur
Sache, oft noch im Vorgarten unserer Doppelhaushälfte und gut sichtbar für alle
Nachbarn.
    »Sie treiben’s schon wieder miteinander!«,
rief meine Mutter jedes Mal, wenn sie die beiden vom Fenster aus sah. Dann
rannte mein Vater mit einem Eimer voll kaltem Wasser nach draußen, um dem
hemmungslosen Liebesspiel ein Ende zu bereiten. Aber er kam immer zu spät. Ein
paar Monate später beglückte uns Gigi unfehlbar mit einem Wurf merkwürdig
aussehender, aber dennoch niedlicher Welpen, für die meine Eltern dann
wochenlang verzweifelt nach Abnehmern suchen mussten.
    Als ich acht Jahre alt war, zogen wir
von Cricklewood in eine geräumige Wohnung in einem großen alten Haus in der
Nähe der Baker Street im Londoner Westend. Meine Schwester und ich wussten noch
nicht, dass Gigi bereits sehr krank war. Da mein geliebter Großvater vor kurzem
im Alter von nur vierundfünfzig Jahren an Lungenkrebs gestorben war, brachten
meine Eltern es nicht übers Herz, uns auch noch diese traurige Nachricht
mitzuteilen. Sie erzählten uns, dass es unfair sei, einen Hund in einer
Stadtwohnung zu halten und dass Gigi deshalb auf einen Bauernhof auf der Isle
of Wight käme, wo sie es viel besser haben würde. Bei den Worten »ein Bauernhof
auf der Isle of Wight« läuft es mir noch heute kalt über den Rücken, denn
später, als Sue und ich schon erwachsen waren, erfuhren wir, dass es einen
solchen Bauernhof gar nicht gab — es war ein Euphemismus dafür, dass das Tier
eingeschläfert worden war.
    Obwohl ich von dieser traurigen
Tatsache damals keine Ahnung hatte, war ich dennoch untröstlich, dass ich
meinen geliebten Hund und unseren kleinen Garten verloren hatte. Ich behauptete
schluchzend, meine Eltern wollten mich umbringen, da sie Gigi aufs Land
schickten und ich in einer Stadtwohnung leben müsste. Meine Eltern jedoch, fern
jedes Mordgedankens, hatten lediglich gehofft, durch den Umzug vom Stadtrand
ins Zentrum Londons unser Leben einfacher zu gestalten. Da sie aber den Verlust
unseres Hundes ebenfalls bedauerten, verschwanden sie eines Tages bei Harrods
in Knightsbridge, wo es im zweiten Stock auch eine Tierhandlung gibt, und
kauften mit ihrer neu erstandenen Kunden-Kreditkarte einen acht Wochen alten
Yorkshireterrier. Als die Verkäuferin ihnen das zappelnde braun-schwarzgraue
Fellbündel übergab, sagte sie warnend: »Lassen Sie sich nicht von ihm
tyrannisieren!« Meine Eltern lachten. Der Gedanke, dass diese winzige,
zitternde Handvoll Hund jemandem auf der Nase herumtanzen könne, schien einfach
zu lächerlich.
    Sie hätten die Warnung ernst nehmen und
das Bündel sofort zurückgeben sollen. Oder zumindest hätten sie es in der
nächsten Besserungsanstalt für schwer erziehbare Hunde anmelden und mindestens
zwei Monate dort lassen sollen. Aber leider war es Anfang der sechziger Jahre,
und solche hundeorientierten Anstalten gab es damals noch nicht. Sie ahnten
nicht, dass das zitternde Fellbündel weniger vor Angst als vor Zorn bebte,
wickelten es in den Mantel meiner Mutter und brachten es heim nach Hanover Gate
Mansions, wo meine Schwester und ich uns auf der Stelle in das Hündchen
verliebten.
    Das also war Freddy, dem meine Mutter
zwanzig Jahre nach seinem Tod immer noch nachtrauerte. Obwohl er völlig
ausgewachsen keine dreißig Zentimeter hoch war, hatte Freddy es fertiggebracht,
fünfzehn Jahre lang unser Leben zu dominieren. Er war kein Musterexemplar
seiner Rasse (seine Ohren hatten einen verwegenen Knick, während sie eigentlich
hätten aufrecht sein müssen), aber für uns gab es einfach keinen schöneren
Hund. Freddy jedoch neigte nicht zur Eitelkeit. Wenn meine Mutter ihn bürstete
und das Haar auf seinem Kopf mit einer blauen Schleife zusammenhielt, genügte
ein Blick in den Schlafzimmerspiegel, um ihn mit entsetztem Gesichtsausdruck
unter ihrem Bett verschwinden zu lassen. Dort schüttelte er den Kopf so lange,
bis er zufrieden und ohne Schleife wieder auftauchte.
    Obwohl er, wenn man ihn im Park rief,
Taubheit vorschützte, konnte Freddy das Knistern beim Auswickeln einer Tafel
Cadburys-Milchschokolade aus fünfzig Metern Entfernung hören und war innerhalb
von Sekunden da, um ein Stückchen zu ergattern. Er war immer wählerisch, wenn
es ums Essen ging, und schließlich weigerte er sich, etwas anderes zu essen als
Schokolade oder

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