Unser Leben mit George
meine
Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Was ich allerdings nicht erwartet hatte,
war, dass George ebenfalls rebellieren würde.
Anthony war sehr geduldig, was Joshuas
Einstellung ihm gegenüber betraf. Mit meinen Tieren aber war es etwas anderes.
Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, wie wunderbar es sei, mit Tieren zu
leben, aber im Hinblick auf die Erfahrung, die er mit Katzen gemacht hatte, war
das nicht einfach. Monster Mog benahm sich bösartig und tückisch wie immer — fast
wie ein zweiter Norman — , und im Sommer 1999 war auch George in der Pubertät.
Im Mai hatten wir ihn für ein paar Tage zu einem Cavalier-Züchter in Pflege
gegeben, während Joshua und ich in Urlaub fuhren, und als er zurückkam, war er
völlig verändert. Sein Testosteronspiegel war offenbar gestiegen, und das
Funkeln in seinen Augen wirkte jetzt eher angriffslustig als schelmisch und
niedlich wie bisher.
Von da an bewies er seine Männlichkeit
auch im Hause durch häufiges Beinheben, besonders in Joshuas Zimmer. Er tobte
rücksichtslos über mein Bett, wobei er matschige Fußspuren hinterließ, und
leerte jeden Papierkorb im Hause, zerkaute den Inhalt und verteilte die Fetzen
auf dem Fußboden. Er wollte dauernd auf meinen Schoß, selbst wenn ich
arbeitete, und obwohl er und Monster Mog es fast akzeptiert hatten, dass sie
nicht ins Schlafzimmer durften, wenn Anthony da war, kratzte George oft morgens
gegen drei oder vier Uhr an der Tür in der vergeblichen Hoffnung,
hereingelassen zu werden.
Im Sommer war ich auf die Idee
gekommen, Spaziergänge auf Hampstead Heath »als Familie« könnten helfen, die
eisige Atmosphäre zwischen Joshua und Anthony etwas aufzutauen. Wie konnte ich
nur so blöd sein! Joshua schlich nebenher und schmollte. George andererseits
hatte ein starkes Interesse am anderen Geschlecht entwickelt. Sowie er eine
Hündin witterte, zerrte er an der Leine, und wenn ich ihn losmachte, verschwand
er im Wald, und alles Rufen half nichts. »So ist er normalerweise gar nicht«,
versicherte ich Anthony, aber der schien nicht überzeugt. Meist verstrichen
etliche Minuten, ohne dass es eine Spur von George gab. Joshua wurde immer
besorgter und wütender, meine Nerven waren angespannt, und Anthony wurde
verständlicherweise ziemlich ungeduldig. Müsse man einen Hund nicht erziehen,
fragte er mich eines Abends, als es langsam dunkel wurde und George nach einer
halben Stunde immer noch nicht aufgetaucht war.
Erziehen? Ich lachte. War eine formale
Hundeerziehung denn wirklich notwendig? In meiner Familie war nie jemand auf
den Gedanken gekommen, einen Hund zu erziehen! In den fünfziger Jahren
hatten meine Großeltern Laura und Phil einen Cockerspaniel gehabt, der auf den
jetzt politisch nicht korrekten Namen Blackie gehört hatte und frei in
Cricklewood herumgerannt war, der nördlichen Vorstadt Londons, in der wir alle
wohnten. Obwohl er morgens im Hause meiner Großmutter in der Dicey Avenue
eingeschlossen war, während meine Großmutter zur Arbeit ging, entkam Blackie
regelmäßig und lief ihr die eine Meile bis zur Bushaltestelle am Cricklewood
Broadway nach. Unterwegs fanden sich die anderen Hunde der Nachbarschaft
ebenfalls ein, so dass meine elegante, blaugespülte Großmutter, wenn sie an der
Bushaltestelle eintraf, meist ein Rudel von etwa einem Dutzend bellender Köter
anführte und wie eine Hundeversion des Rattenfängers von Hameln wirkte. Wenn
der Bus kam, überließ Blackie seine Freunde ihrem Schicksal und sprang hinter
Laura ebenfalls auf. Aber da das Atelier im Westend, wo sie Brautkleider
entwarf und nähte, ein schmutziges Tier, das überall Haare hinterließ, nicht
brauchen konnte, setzte sie Blackie immer an einer Haltestelle kurz vor Kilburn
ab, von wo er in jener relativ autofreien Zeit allein den Weg nach Hause fand.
Unterwegs machte er oft bei uns halt,
weil wir nur ein paar Straßen von ihm entfernt wohnten, um Gigi, unsere
Königspudelhündin, zu besuchen. Anders als die meisten Exemplare dieser Rasse,
die man mit kahlgeschorenen Beinen und toupierten Haarbüscheln an den
verrücktesten Stellen auf Hundeausstellungen sieht, war Gigi ein Zotteltier von
der Nase bis zum Schwanz. Doch trotz ihres ungepflegten Äußeren war sie
zweifellos die femme fatale von Cricklewood. Jedes Mal, wenn sie läufig
war und Hausarrest hatte, versammelte sich eine Meute liebestoller Rüden der
gewagtesten Promenadenmischungen vor unserem Hause und stimmte ihren
Dauergesang misstönender Liebeslieder an. Wenn Gigi
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