Unser Leben mit George
war, nutzte ich den Vorteil einer Babysitterin in der Familie aus.
Unsere Beziehung konnte sich außerhalb meiner häuslichen Sphäre voll entfalten.
Da Zach gerade an einem Buch über französische Künstler des frühen 19.
Jahrhunderts arbeitete, war er oft im Ausland, wo er Material sammelte oder an
den vielen Konferenzen teilnahm, zu denen er eingeladen wurde. Manchmal kamen
Tabby oder meine Mutter für ein paar Tage zu uns, und ich konnte mich übers
Wochenende in Paris oder Rom mit ihm treffen.
Wenn ich nicht wegkonnte oder Zach sehr
weit reisen musste, brachte er mir immer ein schönes und großzügiges Geschenk
mit: eine Perlenkette von einer Konferenz in Singapur, aus Chicago einen
Seidenschal aus alten Kimonos, Ohrringe aus Paris.
Im Sommer 2003 jedoch änderte sich
diese Idylle, als Martina ihre stattliche Kollektion schwarzer Schuhe und
Lederstiefel einpackte und zusammen mit Ivona, mit der sie bis zum Schluss
unzertrennlich war, nach Tschechien zurückkehrte, wo sie hoffte, in ihrem Beruf
als Juristin Fuß zu fassen. In den zweieinhalb Jahren bei uns war sie mir fast
zu einer Tochter geworden, und ich war sehr traurig, als sie uns verließ. Ein
paar Monate lang hatte ich ein neues Au-pair-Mädchen, aber es funktionierte
nicht. Weder Joshua noch ich hatten den richtigen Draht zu ihr.
Ich vermisste Martina und das
Vergnügen, diesen zwei jungen tschechischen Schönheiten zuzuhören, wenn sie
sich auf dem Sofa räkelten und über ihr gesellschaftliches Leben tratschten.
Ich sprach mit Joshua darüber, und wir waren uns einig, dass wir das Haus nicht
länger mit einer Fremden teilen wollten, wir wollten unter uns sein. Er war
jetzt in einem Alter, wo er weder einen Babysitter brauchte noch wollte, wenn
ich für ein paar Stunden abends ausging, und nach weiterem Überlegen stellte
ich fest, dass der Hauptgrund, warum ich jetzt ein Au-pair-Mädchen wollte,
George war. Und das war lächerlich.
Als Joshua und ich wieder allein waren,
merkte ich jedoch, dass das Ausgehen am Abend doch nicht so problemlos war, wie
ich gedacht hatte. Obwohl es Joshua nichts ausmachte, ließ ich ihn nicht gern
allein, besonders nicht unter der Woche, und ich kam auch nicht gern sehr spät
zurück. Wenn Joshua bei Freunden war oder sich jemanden eingeladen hatte, war
es etwas anderes.
Aber wenn er allein zu Hause war und
womöglich auch noch Hausaufgaben zu erledigen hatte, bekam ich ein schrecklich
schlechtes Gewissen, wenn ich ausging. Deshalb wünschte ich mir, Zach würde
öfter zu uns nach Hampstead kommen.
Aber wie ich bald merkte, war das ganz
und gar nicht das, was Zach vorgeschwebt hatte, als wir bei dem Italiener so
romantisch darüber gesprochen hatten, unser Leben mit einem anderen Menschen zu
teilen. Er wollte jemanden, der ihn auch unter der Woche zu endlosen
Einladungen begleiten konnte, der Zeit hatte, mit ihm zu reisen und bei ihm in
seiner Wohnung in Hackney zu sein, in die er kürzlich gezogen war. Woran ich
dagegen beim Teilen meines Lebens gedacht hatte, war, zusammen ein Leben
aufzubauen, ein Leben, das selbstverständlich Joshua und George einschloss, und
im weiteren Sinne sogar meine Verwandtschaft.
Zum ersten Mal, seit wir uns
kennengelernt hatten, gab es Spannungen zwischen uns. Und es sollte noch
schlimmer kommen.
Zach mochte Joshua sehr — er schätzte
seine rasche Auffassungsgabe, seinen Humor und seine Gelassenheit, mit der er
sich jeder Situation anpassen konnte. Jedoch war Zach im Grunde seines Herzens
ein Intellektueller mit keinerlei Interesse an Skateboards und Arsenal und
einem regelrechten Abscheu vor Dingen wie Big Brother oder den Simpsons, also gab es wenige Gemeinsamkeiten zwischen den beiden. Obwohl er seine eigene
Tochter vergötterte, die jetzt Ende zwanzig war, hatte Zach keinerlei Erfahrung
im Umgang mit halbwüchsigen Jungen, die selbst im günstigsten Fall nicht
besonders mitteilsam sind.
Es machte die Sache auch nicht einfacher,
dass niemand aus seinem Bekanntenkreis Kinder hatte, oder höchstens Kinder, die
wie seine eigene Tochter das Nest lange verlassen hatten. Sie alle waren
häuslich ungebunden, und auch Zach wollte sich nicht wieder binden.
Und am allerwenigsten wollte er einen
Hund.
20.
Kapitel
Ich musste eine unbarmherzige Tatsache des Lebens lernen: Ein
Kind und ein Freund sind schwer miteinander zu vereinbaren, wenn der Mann nicht
gleichzeitig der Vater des Kindes ist. Einen Mann, ein Kind und einen Hund
unter einen Flut zu bringen war jedoch fast
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