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Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Summers
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Kartoffelpüree.
»Ich bin sehr froh — ich fürchtete erst, Sie könnten Vegetarier sein«, sagte
er, als ich wie eine Verhungernde über meine Bratwurst herfiel. Die Liste mit
den Fragen war vergessen, und ich unterhielt Zach mit weiteren Geschichten über
meine Familie. Irgendwie brachte er meine geistreichste Seite zum Vorschein. Er
lächelte über alles, was ich sagte, und ich lachte über alle seine Witze. Wir
schienen genau den gleichen Humor zu haben.
    »Vielen Dank«, sagte ich aus tiefstem
Herzen, als wir uns zwei Stunden später an einer Ecke der Regent Street
trennten. »Es war wirklich sehr nett, Sie kennenzulernen.«
    »Ganz meinerseits. Ich habe mich lange
nicht mehr so gut unterhalten.«
    »Ich auch nicht. Also... dann auf Wiedersehen.«
    Ich gab ihm meine Hand, die er
festhielt. Seine Hand war feingliedrig, aber sein Griff war fest und warm. Mit
seinen durchdringenden Augen sah er mich an. »Würden Sie wieder mit mir essen
gehen?«, fragte er. »Vielleicht kommen wir wirklich noch einmal dazu, diese
wichtigen Fragen durchzugehen.«
    Wie gehabt, dachte ich. »Ach, nein! Ich meine,
ja«, fügte ich schnell hinzu. »Ja. Vielen Dank. Sehr gern.«
    »Warum schreiben Sie mir nicht Ihre
Telefonnummer auf? Dann rufe ich Sie an.«



19.
Kapitel
     
    Drei Tage später rief er mich an, und es
wurde ein langes Telefongespräch. »Also, wie ist’s, sehen wir uns wieder?«,
fragte er geradeheraus. »Okay«, sagte ich etwas zurückhaltend. »Und wann?«
    Am folgenden Samstag führte er mich in
ein Restaurant in dem alten, aber jetzt sehr angesagten Londoner Stadtteil
Clerkenwell, gleich hinter Smithfield Market. Nach dem Essen machten wir eine
Besichtigungstour durch das umliegende Straßengewirr. Obwohl Zach eine
Leidenschaft für die Geschichte Londons hatte, wie viele Amerikaner, die ich
als Fremdenführerin betreut hatte, wusste er so gut wie nichts über diese
Gegend. Ich zeigte ihm meine Lieblingskirche, St. Bartholomews the Great, die
im 12. Jahrhundert von den Normannen erbaut worden war und jetzt ganz versteckt
hinter dem Fleischmarkt liegt. Ich erzählte ihm auch von Wat Tyler, dem
Rebellenanführer aus Kent, der im Bauernkrieg von 1381 nach Smithfield ritt, um
sich mit dem jungen König Richard II. zu treffen. Wats Unverschämtheit wurde
vom Londoner Oberbürgermeister mit einem tödlichen Schwerthieb quittiert, der
ihn am Hals traf. Als er sterbend dalag, ritt der vierzehnjährige König zu den
Rebellen hinüber und sagte ihnen, er habe Wat gerade zum Ritter geschlagen und
werde auf alle ihre Forderungen eingehen, einschließlich der Abschaffung der
Leibeigenschaft und der Kopfsteuer. Doch sowie die Rebellen sich aufgelöst
hatten, nahm Richard sein Wort zurück. »Leibeigene seid ihr, und Leibeigene
werdet ihr immer bleiben«, soll er gesagt haben.
    Während meiner dramatischen Schilderung
sah Zach mich amüsiert an. »Ich weiß nicht, warum du ausgerechnet mich in
geschichtlichen Dingen um Rat fragen wolltest«, sagte er. »Du kennst dich doch
bestens aus.«
    Dann nahm er mich in seine Arme, und
ich merkte, dass er sich zumindest mit dem Küssen bestens auskannte.
    Einen Monat später saßen wir uns in
einem italienischen Restaurant in Süd-Kensington gegenüber. Wir waren gerade
beim Vortrag einer seiner Kollegen im Victoria & Albert Museum gewesen
und wollten auf dem Heimweg noch schnell eine Kleinigkeit essen. Im Laufe der
letzten Wochen hatte mir mein Professor der Kunstgeschichte mit großer
Hartnäckigkeit den Hof gemacht. Von Zurückhaltung konnte keine Rede sein. Dies
war das fünfte Mal, dass wir uns getroffen hatten, und immer noch hatte ich ihm
keine einzige Frage über die Kunst des 18. Jahrhunderts gestellt. Zwischen
unseren Verabredungen führten wir stundenlange Telefongespräche, und immer war
er es, der anrief. Ich konnte nicht umhin, mich über so viel Aufmerksamkeit zu
freuen und mich geschmeichelt zu fühlen. Es war einfach unglaublich romantisch,
von diesem weltgewandten Amerikaner umworben zu werden, als sei ich eine
verführerische Schönheit statt einer Mutter von neunundvierzig Jahren. Bei Zach
fühlte ich mich jung und begehrenswert.
    Da er gerade die Beziehung zu seiner
Partnerin beendet hatte, wohnte Zach bei Freunden, während er sich nach einer
Eigentumswohnung umsah. Und weil ich ihn nicht mit Joshua bekannt machen
wollte, ehe ich genauer wusste, wie sich die Dinge zwischen uns entwickeln
würden, hatte ich ihn absichtlich noch nicht zu mir nach Hampstead

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