Unser Leben mit George
Mann und Hund, bewährt und gepriesen seit
prähistorischer Zeit, zumindest bei uns ziemlich angespannt. Und das Verhältnis
zwischen Frau und Hund ebenfalls. Vom Verhältnis zwischen Frau und Mann ganz zu
schweigen.
Vorüber war die berauschende Zeit, als
Zach und ich glaubten, nichts könne zwischen uns kommen. Denn es war gekommen,
in Gestalt eines niedlichen King Charles Cavalier Spaniels.
21.
Kapitel
Dreihundertdreiundfünfzig Tage im Jahr ist Hampstead Heath ein
Paradies der Stille. Diese 320 Hektar große Oase aus Waldland, Hügeln, Teichen
und herrlichen Wiesen liegt nur sechs Kilometer vom Zentrum Londons entfernt,
doch wenn es nicht das ferne Summen des Verkehrs gäbe, könnte man glauben,
besonders wenn man an einem Wochentag dort ist, man befinde sich im tiefsten,
ländlichsten Herzen von England.
Und bestimmt leben hier auch genauso
viele Tiere. Füchse schleichen durchs Unterholz, Wildkaninchen huschen auf den
Wiesen umher. In den Wäldchen tummeln sich graue Eichhörnchen und manchmal auch
ein ebenso weit verbreitetes Lebewesen, nämlich der Rotnasige, Bärtige
Vogelkundler, der sich in Anorak und Wanderstiefeln hier herumtreibt und dessen
Feldstecher wie angewachsen scheint. Über ihm hämmern Grünspechte im Geäst, am
Himmel kreisen Sperber auf der Suche nach Beute: vielleicht eine schöne, fette
Maus oder ein verschlafener Maulwurf, aber zur Not tun es auch die Reste eines
Kebabs vom nächsten Take-away.
Weiter unten, in einer Senke gleich
beim Whitestone-See, liegt das Vale of Health, ein malerisches Dörfchen mit
Cottages aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die ursprünglich für Handwerker und
Künstler gebaut wurden. Jetzt aber — schließlich leben wir im Hampstead des 21.
Jahrhunderts — wohnen hier Filmproduzenten, Schauspieler und die Angestellten
internationaler Banken aus der City. Auf dem kleinen See gleitet majestätisch
ein Schwanenpaar dahin, begleitet von Enten, Haubentauchern und Blesshühnern.
Barsche schießen durchs flache Wasser, ein hungriger Reiher watet hinter ihnen
her und stakst zögerlich auf langen, dünnen Beinen durch das Schilf.
In den frühen Morgenstunden sind die
nassen Wege, die kreuz und quer über die Wiesen führen und an Bäumen, Büschen
und Hecken vorbei die ganze Landschaft durchziehen, das Reich der
durchtrainierten Lycra-gewandeten Jogger, die, eine Flasche Evian in der einen,
den iPod in der anderen Hand, hier entlanghecheln. Ihnen folgen, in
gemäßigterem Tempo, eine Gruppe besonders unerschrockener Zeitgenossen, Männer
und Frauen mittleren Alters mit zusammengerollten feuchten Handtüchern unter
dem Arm. Mit entschlossenem Schritt oder in lockerem Trab kommen sie von einem
der Teiche zurück, in denen Damen oder Herren (getrennt) schwimmen dürfen und
zu denen sie jeden Tag pilgern, das ganze Jahr über. Sollte das Wasser im
Winter gefrieren, zerschlagen sie das Eis und springen trotzdem hinein. Das
Schwimmen bei Temperaturen unter null, so versichern sie mir, wärme wie sieben
Gin Tonics, nur dass man davon keinen Kater bekommt.
Dann kommen die Eltern von Highgate,
Kentish Town und Dartmouth Park, die den Weg über die Heide nehmen, um ihre
Kinder zur Schule zu bringen; ebenso ausländische Touristen, die mit gefalteten
Wanderkarten ihren Weg zum historischen Kenwood House suchen. Später sieht man
Spaziergänger, viele mit Hund wie ich, aber auch die Profis mit acht oder neun
Leinen um den Hals und einer Meute verschiedenster Hunde; ferner Schwestern vom
Royal Free Hospital, die in ihrer Mittagspause hierherkommen, um ihr Sandwich
zu essen und frische Luft zu schnappen. Die Parkaufseher in ihren grünen
Lieferwagen fahren vorbei, und manchmal sieht man sogar einen uniformierten
Reiter in fescher Reithose und schwarzer Kappe, der von der Kaserne der
Königlichen Garde in St. John’s Wood heraufgeritten kommt.
Auf dem grasbewachsenen Parliament Hill
an der Südspitze von Hampstead Heath — mit 135 m über dem Meeresspiegel einer
der höchsten Punkte — ist immer wesentlich mehr Betrieb als in den geschützten
Waldgebieten im Norden. Auf dem Hügel ist es oft ziemlich belebt, besonders an
windigen Sonntagen, wenn die Familien geschlossen zum Drachensteigen antreten.
Laufend bemüht, sich in den Nylonschnüren ihrer Kunstflugdrachen nicht zu verheddern,
rennen sie schwer atmend bis zur Hügelkuppe, um das unglaubliche Panorama auf
London zu genießen, das sich wie ein alter Kupferstich vor ihnen ausbreitet.
Von hier aus sind alle
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