Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Summers
Vom Netzwerk:
idealer Ort, um Geld auszugeben. Der Jahrmarkt, der jetzt im Vale of Health
seinen festen Wohnsitz hat, zieht nach wie vor viele Besucher an, obwohl er
sich im Charakter sehr verändert hat — nicht nur seit Königin Victorias Zeit,
sondern auch seit meiner Kindheit. Man kann sich immer noch mit glasierten
Äpfeln und nagellackrosa Zuckerwatte die Zähne ruinieren, aber jetzt gibt es
dort auch Hamburger, Hot Dogs und Popcorn. Und ein Treffer an der Schießbude
wird jetzt eher mit einem aufblasbaren Alien aus Plastik belohnt als mit dem
lebenden Goldfisch, den es in meiner Kindheit dafür gab. Die Karussells von
früher mit ihren Wurlitzer-Orgeln und den malerischen galoppierenden Pferdchen
sind größtenteils durch schreckliche Fahrgeschäfte mit Namen wie Killer
Scorpion, Skymaster oder Ballbreaker verdrängt worden, Maschinen, die einen mit
G-Force herumschleudern, kopfunter über den Baumwipfeln baumeln lassen, um
einen dann mit einer Geschwindigkeit fallen zu lassen, dass es einem den Magen
umdreht.
    Das Kreischen der Vergnügungssuchenden,
zusammen mit dem lauten Wummern der Verstärker, lässt die Bewohner von
Hampstead an solchen Wochenenden fliehen, es sei denn, man hat Kinder, die
unbedingt zum Jahrmarkt wollen. Als Joshua noch jünger war, blieb es Udi und
mir nie erspart. Aber selbst wenn man zu Hause bleibt, ist es unmöglich, sich
dem Lärm zu entziehen. Man sitzt im Wohnzimmer, die Fenster fest geschlossen,
den CD-Spieler mit Beethoven voll aufgedreht, den Fernseher ebenfalls — und
noch immer hört man das Kreischen, die Rapmusik und die alles übertönende
männliche Stimme aus dem Lautsprecher, die sadistisch verkündet: »Je schneller
es wird, umso lauter wird geschrien! Und je lauter ihr schreit, desto schneller
geht’s!«
    Obwohl ich ab und zu durchaus noch Lust
auf etwas klebrige Zuckerwatte gehabt hätte, mied ich die Heide an Feiertagen,
genau wie alle anderen Anwohner. Da ich das Glück hatte, sie den Rest des
Jahres fast für mich allein zu haben, machte es mir einfach keinen Spaß, dort
spazieren zu gehen, wenn Jahrmarkt war — im Gegensatz zu George, der sich dort
gern mit der Nase am Boden herumtrieb und Ausschau nach Essensresten hielt.
Also beschloss ich am Ostermontag 2005 — ein Datum, das ich nie vergessen werde
— , auf Georges Morgenspaziergang ausnahmsweise zu verzichten.
    Um ehrlich zu sein, der Jahrmarkt war
nicht der einzige Grund, warum ich den Spaziergang ausfallen ließ. Ich war sehr
böse auf George und hatte mich auch über Zach aufgeregt. Es stand nicht gut
zwischen uns, und George war nicht das einzige Problem. Es waren jetzt
zweieinhalb Jahre seit wir uns kennengelernt hatten, und wir waren in einen
Trott verfallen, aus dem wir einfach nicht wieder herausfanden. Ich sehnte mich
immer noch danach, alle Höhen und Tiefen meines Lebens mit Zach zu teilen. Er
andererseits wollte mit den Tatsachen des Alltagslebens möglichst wenig zu tun
haben. Ihm schwebte eine immerwährende Idylle vor, wie wir sie während der
ersten gemeinsamen Monate erlebt hatten — ein romantischer, aber unmöglicher
Wunsch. Denn das bedeutete, dass ich möglichst viel Zeit bei ihm verbringen und
allein mit ihm in Urlaub fahren sollte, was einfach nicht realistisch war. Seit
Martina nach Tschechien zurückgekehrt war, war mir das Jonglieren mit zwei
verschiedenen Existenzen — der einen als Joshuas Mutter, der anderen als Zachs
Partnerin — immer schwerer gefallen. Es kam mir vor, als wollte ich mich in ein
Paar wunderschöner Jeans zwängen, die mir viel zu klein und zu eng waren. Wenn
ich den Atem anhielt, konnte ich den Reißverschluss mit viel Mühe schließen,
aber es ließ sich nicht verleugnen, sie passten mir nicht. Und in letzter Zeit
waren sie immer enger geworden.
    Ich arbeitete sehr fleißig an meinem
neuen Buch. Ich musste Material sammeln und schreiben. Gleichzeitig bereitete
Joshua sich auf seine Schulprüfungen vor. Er hatte eine Unmenge Hausaufgaben,
und die Examensangst zehrte an seinen Nerven. Der Kühlschrank durfte nicht leer
werden, ich musste für regelmäßige Mahlzeiten sorgen, und natürlich verlangte
George nach seinem Recht; er musste gebadet werden, man musste sich mit ihm
beschäftigen und ihn mehrmals am Tage ausführen. Ab und zu wollte ich auch für
meine Mutter, meine Schwester und für meine Freundinnen Zeit haben. Es gab
einfach nicht genug Stunden am Tag, oder Tage in der Woche, um alles zu
schaffen und mit allen Kontakt zu halten. Wenn ich in letzter Zeit

Weitere Kostenlose Bücher