Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unser Leben mit George

Unser Leben mit George

Titel: Unser Leben mit George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Summers
Vom Netzwerk:
Wahrzeichen der Stadt gut zu sehen: von Sir Christopher
Wrens St.-Pauls-Kathedrale bis zu den Parlamentsgebäuden, von dem Wolkenkratzer
mit der Pyramidenspitze auf Canary Wharf bis zum riesigen Rund des London Eye,
vom raketenförmigen Fernmeldeturm bis zur Wölbung der hundert Meter hohen,
Milliarden verschlingenden Riesenhalle auf der Isle of Dogs, die einst als
Millennium Dome gebaut wurde, jetzt jedoch den Namen einer Mobilfunk-Marke
trägt.
    Obwohl nur wenige Menschen sich an
kalten Winterabenden auf die Heide hinaustrauen, kann es an langen, warmen
Sommerabenden dort sehr voll werden. Junge Männer spielen Fußball. Liebespaare
sitzen in enger Umarmung auf den Bänken oder umschlingen sich leidenschaftlich
im Schatten der Bäume. Freunde treffen sich auf den Wiesen zum Kartenspiel oder
um Sushi aus Plastikbehältern zu essen, umgeben von Bierdosen und Weinflaschen.
Oft hat jemand eine Gitarre dabei und fängt an zu spielen, alte Bob-Dylan-Hits
scheinen noch immer besonders beliebt zu sein. Kofferradios hört man dagegen
nur sehen. Die Heide ist einfach nicht der Ort dafür.
    Dreimal im Jahr jedoch — an Ostern,
Pfingsten und an einem gesetzlichen Feiertag im August — ist es für ein
Wochenende aus mit dem Frieden auf Hampstead Heath. Man wacht eines Morgens auf
und sieht, dass ein paar Wohnwagen auf dem Parkplatz beim Teich angekommen sind.
Auch der andere Parkplatz füllt sich mit Wohnwagen, und bald rollt eine ganze
Karawane von LKWs die Straße entlang, jeder beladen mit einem Generator und
anderen Ausrüstungsgegenständen. Riesige Stahlteile in Rot, Kobaltblau und
Chromgelb, verglaste Buden mit viktorianischem Dekor, ölige Kurbelwellen,
Verstärker, riesige Teetassen und Stellwände, auf denen »Geisterbahn« oder
»Space Roller« steht.
    Am nächsten Tag ist die Heide wie
verwandelt. Statt Bäumen sieht man Twister, Shaker und Autoskooter. Es gibt
eine Achterbahn, einen »Wiener Walzer« und ein Riesenrad, das auf bedenklich
kleinen Holzblöcken zu stehen scheint. Es gibt ein Karussell für Kinder, das
wie eine Raupe aussieht, ein weiteres ist mit kleinen Flugzeugen bestückt, eine
Hüpfburg und eine riesige, aufblasbare Rutschbahn in Bonbonrosa. Bunte
Glühbirnen hängen wie billige Halsketten zwischen den Bäumen, und wo vorher nur
Kies und Grasland war, stehen jetzt Schießbuden und andere Glücksspiele.
    Der Jahrmarkt, der dreimal im Jahr in
Hampstead stattfindet, ist angekommen. Und vier Tage lang wird nichts so sein
wie sonst.
    Jahrmärkte und andere Veranstaltungen
zur Volksbelustigung haben eine lange Tradition in Hampstead. Im 18.
Jahrhundert war das Dorf ein ländlicher Kurort, der sowohl bei der bürgerlichen
als auch der gehobenen Klasse der Londoner Bevölkerung sehr beliebt war. Die
Besucher kamen hierher, um das Wasser der eisenhaltigen Quellen zu trinken, um
sich in den Gesellschaftshäusern von Well Walk zu treffen und die saubere Luft
zu genießen. Im Jahre 1860 baute man dann eine Eisenbahnlinie, die Hampstead
mit dem armen East End von London verband, und nun konnten auch die ärmsten
Bewohner Londons in eine Gegend fahren, die bis dahin den wohlhabenderen
Schichten vorbehalten war. Von nun an suchten die Armen an jedem Feiertag die
»Lunge der Metropole« auf, wie man die Heide nannte. Einige brachten
Picknickkörbe mit, andere Geld für Bier. Um den Besuchern der Arbeiterklasse
etwas zu bieten, nahm drei Jahre nach Eröffnung der Eisenbahnlinie ein großer
Gasthof namens Suburban Hotel seinen Betrieb auf. Er hatte ein Dach mit
Türmchen und Zinnen, mehrere Teegärten, eine Kegelbahn, Rauchsalons und Plätze
für zweitausend Gäste.
    In den Jahren um 1870 kamen bei schönem
Wetter bis zu 30 000 Menschen aus dem East End nach Hampstead Heath, und so
fingen umherziehende Schausteller an, ihre Buden und Stände in der Nähe des
Gasthofs aufzubauen. Um 1880 waren es manchmal bis zu 100 000 Besucher, und die
Anwohner beklagten sich, weil es Einbrüche, Überfälle und Schlägereien unter
Betrunkenen gab. Aber es half nichts: Hampstead Heath war zum Ausflugsziel der
Londoner Cockneys geworden. Die Gegend erhielt sogar den Spitznamen ‘Appy
Ampstead, nach einem Lied, das um 1890 von dem Sänger Albert Chevalier
gesungen wurde:
    »Now if you want a ‘igh old time,
    Just take a tip from me,
    Why, Ampstead, ‘appy ‘Ampstead
    Is the place to have a spree.«
     
    Mehr als hundert Jahre nach Alberts Hit
ist Happy Hampstead mit seinen vielen Läden, Restaurants und Bars immer noch
ein

Weitere Kostenlose Bücher