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Unser Mann in London

Unser Mann in London

Titel: Unser Mann in London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Volz
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stürmischen Schlussminuten einen gefährlichen Schuss von Joseph-Désiré Job mit einem geistesgegenwärtigen Fußtritt in letzter Sekunde abblockte, überschwemmte mich das ganze Glück eines Verteidigers.
    Tore sind die Essenz des Fußballs, von Toren träumen Kinder und Profis. Aber ein Außenverteidiger schießt kaum Tore. So bleibt uns in unseren Tagträumen nur ein akrobatisch abgeblockter Torschuss oder vor allem der gewonnene Zweikampf als immer wiederkehrendes Motiv. Früher hatten Verteidiger noch das
sliding tackle
, auf Deutsch: die Grätsche. Wenn sie über den Rasen schlitterten und, am Boden liegend, im letzten Moment dem Stürmer den Ball vom Fuß spitzelten, konnte niemand das Heldenhafte ihres Tuns übersehen. Heute verlangt das Spiel von einem Verteidiger, dass er beim
tackling
stehen bleibt, um den gewonnenen Ball sofort weiterspielen zu können. Ein Außenverteidiger wie Deutschlands Kapitän Philipp Lahm hat seine eigene Kunstform gefunden, er kniet mit dem rechten Bein für den Bruchteil einer Sekunde, während er dem Gegner mit links den Ball wegschnappt, und ist in der nächsten Zehntelsekunde schon wieder auf den Beinen. Das kommt dem alten, triumphalen
sliding tackling
noch am nächsten. Aber sonst bleiben uns Verteidigern nicht mehr so viele spektakuläre Tagträume: Ich sehe mich innerlich oft, wie ich nach einem feurigen Sprint den Körper zwischen Ball und Gegner schiebe und, während ich ihm den Ball stibitze, mich schon drehe, um sauber nach vorne zu passen. Und manchmal, wenn ich mir sicher bin, dass in meinen Tagträumen kein Trainer auftaucht, der auf defensive Disziplin pocht, träume ich von einem dynamischen Vorstoß den Flügel hinunter, dem Tor entgegen.
    Meine Rettungstat bei Jobs Torschuss war praktisch der Abschluss des Spiels gegen Middlesbrough. Wir hatten 3:2 gewonnen. In der Umkleidekabine gab es heiße, fettige Pizza. Ich nahm ein Stück und fühlte, jetzt war ich ein Premier-League-Spieler.
     
    Ich hegte keinen Zweifel mehr, dass der FC Fulham ein erstaunlicher Fußballklub war, dabei hatte ich den Präsidenten noch gar nicht kennengelernt.
    Mohamed Al-Fayed gehörte das berühmte Londoner Kaufhaus Harrods genauso wie das Ritz in Paris und seit 1997 auch der FC Fulham. Er ließ der Mannschaft ausrichten, dass für uns im Harrods jederzeit ein persönlicher Assistent für eine Einkaufstour bereitstünde. Neugierig nahmen Anneke und ich das Angebot an. Es heißt, im Harrods gebe es vom Flugzeug bis zur Stecknadel alles zu kaufen, und nach meinen ersten Besuchen glaubte ich das gerne, denn ich hatte mich jedes Mal verlaufen, so vielzählig waren die Abteilungen. Der persönliche Einkaufsassistent würde Anneke und mich vor den üblichen Irrgängen schützen.
    Irgendwann standen wir vor einem der exklusiven Anprobierräume, als plötzlich eine Karawane von Bodyguards auftauchte. Zwischen ihnen der Präsident.
    «Mister Al-Fayed, schauen Sie, wer hier ist», flötete mein persönlicher Verkäufer und zeigte mit der flachen Hand auf mich: «War er am letzten Samstag nicht großartig?»
    Ich weiß nicht, ob der Präsident nur mit halbem Ohr zugehört hatte, auf jeden Fall wandte er sich an mich: «Oh, Sie sind auch ein Fulham-Fan?»
    «Mister Al-Fayed! Er ist ein Spieler!», rief mein Verkäufer, die Stimme auf einmal deutlich zu schrill, um noch als Träger der britischen Zurückhaltung durchzugehen.
    «Ach so.» Dem Präsidenten schien es weniger peinlich. «Hier», sagte er, «nehmt eine Viagra.» Er gab Anneke ein Pfefferminzbonbon. Dann lachte er über seinen eigenen Witz.
    Mit 74 Jahren gefiel sich Al-Fayed in der Rolle des kleinen Provokateurs. Ich hatte den Eindruck: Weil er spürte, dass ihm aufgrund seines Status sowieso niemand in seinem Unternehmen widersprechen würde, stieß er Leute besonders gerne vor den Kopf.
    In seiner Jugend in Ägypten sei er selbst ein Stürmer mit außergewöhnlichem Kopfballspiel gewesen, sagte er einmal: «Ich war stark in der Luft; so habe ich meine Haare verloren.»
    Al-Fayeds exzentrisches Benehmen und wohl auch der Erwerb des FC Fulham hatten allerdings einen ernsthafteren Hintergrund. Er schien tief gekränkt, dass man ihm die britische Staatsbürgerschaft und in hohen Kreisen auch die gesellschaftliche Anerkennung über 40 Jahre nach seiner Ankunft in London noch immer verweigerte. Wie zur Ersatzbestätigung schien er britische Symbole zu kaufen, Harrods, einen Adelssitz in Schottland, die Satirezeitung
Punch
 – und

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