Unser Mann in London
würden. Als ich die Toilette verlassen wollte, ging die Tür nicht mehr auf. Die Klinke griff nicht mehr. Ich drückte sie durch, ohne dass sich das Schloss bewegte. Die Halterung im Türgriff schien gebrochen. Wertarbeit des Mannes im weißen Wagen.
Anneke war verreist.
Ich rief um Hilfe. Unsere Putzfrau war Gott sei Dank in der Wohnung. Aber der Staubsauger lief. Sie hörte mich nicht. Ich klopfte gegen die Tür. In der Toilette wurde es langsam heiß unter dem Deckenstrahler. Es war ein kleiner, fensterloser Raum, die Gästetoilette, und das Licht ließ sich nur von außen an- und ausschalten. Ich dachte an die Zeitungsschlagzeilen: «Fulhams Fußballstar nach zwei Wochen tot auf der Toilette gefunden.» Falls ich starb, würde ich in den Zeitungen wenigstens einmal zum Star erklärt.
Endlich nahm unsere Putzfrau wahr, dass irgendwer rief. Sie rief den Hausmeister. Doch er war gerade beschäftigt. Im Keller hatte es angesichts des Unwetters eine Überschwemmung gegeben.
Langsam wurde ich nervös. Würde ich es noch rechtzeitig zum Spiel in Brighton schaffen, würde ich hier jemals rauskommen? Eine gefühlte Stunde verging, vermutlich waren es in Wirklichkeit nicht mehr als 20 Minuten, aber eingesperrt auf einer Toilette bekommt man eine Vorstellung davon, was Ewigkeit ist. Der Hausmeister kam. Er ging wieder, um das Werkzeug zu holen. Er schraubte am Türgriff herum und ging schon wieder. Er hatte nicht das passende Werkzeug.
Inzwischen hatte ich eine gewisse Ruhe erlangt. Man hatte mich entdeckt, alles würde gut werden. Gefangen auf der Toilette begann ich unseren nächsten Sommerurlaub zu planen. Kurz zuvor hatte ich zwei Bildbände in das Gästebad gelegt,
Die schönsten Hotels der Welt
, in ihnen blätterte ich. Nach Korsika würde der nächste Urlaub gehen. Ein paar Minuten später ging die Tür auf, und ich sah in das Gesicht des Hausmeisters.
Seitdem lasse ich gerne auch mal die Tür einen Spalt weit offen, wenn ich auf Toilette gehe.
Im Moment gibt es in unserer Wohnung in Fulham nichts zu beanstanden. Wenn man einmal von solchen Kleinigkeiten absieht, dass aus der Dusche ausschließlich heißes oder brühend heißes Wasser kommt und im Winter bei theoretisch geschlossenem Fenster der kalte Wind durch die Ritzen hineinpfeift. Aber wir arrangieren uns,
we have to get on with things
, auch wenn ich ahne, dass nach der Überprüfung durch sechs verschiedene Installateure irgendetwas im Heizungssystem noch immer nicht ganz stimmt. Oder wieso kommt aus unserer Toilettenspülung heißes Wasser?
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Zwölf Hunger
In Fulham entdeckte ich die ideale Vorbereitung für ein Fußballspiel: Kuchenbacken. Samstagvormittags vor einem Premier-League-Match hatte ich scheinbar endlos Zeit, aber nicht die Muße, irgendetwas Anspruchsvolles zu tun. Die Konzentration reichte allenfalls für eine flüchtige Zeitungslektüre, dann sprangen die Gedanken schon wieder voraus zu Flankenläufen, Zweikämpfen, Rückpässen. Die meisten Kollegen schauten in den Stunden vor dem Spiel fern, hörten Musik oder surften im Internet. Kuchenbacken aber war nicht nur eine Ablenkung, es entspannte.
Unter dem steten Rhythmus und der körperlichen Betätigung des Teigknetens wich die Unruhe langsam aus meinem Körper. Die kühle, weiche Masse unter den Händen gab mir ein Gefühl von Frische. Ich musste mich voll und ganz auf das Rezept konzentrieren: 250 Gramm Mehl, wo war der Zucker, einen Löffel grünen Tee nicht vergessen. Da fanden die Gedanken an die Flanke, die ich aus vollem Lauf treten musste, an Ryan Giggs, den ich nie zu hastig angreifen durfte, kein Schlupfloch, um schon wieder hervorzukriechen. Anders als Musikhören oder Fernsehen hinterließ Kuchenbacken zudem die tiefe Befriedigung zu betrachten, was man geschaffen hatte. Manchmal buk ich samstagvormittags nicht einen, sondern drei Kuchen.
Diese Frau rettete meine Haare. Unsere Friseurin Mie ganz vorne, mit Richard, Anneke und Leddy auf Annekes Geburtsfeier im Zuma.
Die Sorte richtete sich nach dem Gegner: einen königlichen Bananenkuchen mit einem Hauch grünem Tee für die Spiele gegen die Großen wie Arsenal oder Manchester United. Etwas Rustikales wie einen Karottenkuchen gegen die harten, rauen Mannschaften aus der Abstiegszone, am besten mit Nüssen. Das gab dem Ganzen die angemessene Schwere.
Dann musste ich es nur noch schaffen, die Kuchen nicht schon vor dem Spiel zu essen. Ich verschenkte sie an Nachbarn, Freunde und machte es zu
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