Unser Mann in London
zu haben, wenn ich lieber den Zuschauern als den Spielern zuschaute.
Es war ein stimmungsvoller Nachmittag unter herzlichen Menschen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, was er mit Sport zu tun hatte. Auf dem Nachhauseweg dachte ich mir, vielleicht sollte ich öfters über mein Unwissen in anderen Sportarten schreiben, wenn dabei so schöne Einladungen heraussprangen. Wenn also irgendjemand mit Einfluss diese Zeilen liest: Ich verstehe sehr wenig von Formel-1-Rennen, vor allem von dem in Monaco.
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Vierzehn Mick Channons Windmühle
Nach zweieinhalb Jahren beim FC Fulham stand meine Torbilanz bei minus 1. Ich hatte ein Tor geschossen und zwei Eigentore fabriziert.
Tore zu erzielen, ist für einen Abwehrspieler zwangsläufig nicht einfach: Wir sind so selten vor dem gegnerischen Tor. Trotzdem oder gerade deswegen sagten in meiner Anfangszeit in der Premier League immer wieder Fans zu mir: «Heute habe ich bei den Buchmachern fünf Pfund auf dich als Torschütze gesetzt.» Die Gewinnquote wäre beim Tor eines Abwehrspielers viel höher gewesen als bei einem Treffer unserer Torjäger Louis Saha oder Brian McBride. Als Außenverteidiger, der immer wieder mit Flankenläufen nach vorne stieß, muss ich den Zuschauern fälschlicherweise den Eindruck gemacht haben, ich käme dem Tor nahe. Nach ein, zwei Jahren kam niemand mehr zu mir, um mir von seinen Wetten auf mich zu erzählen. Vielleicht kamen diese Fans auch gar nicht mehr ins Stadion. Weil ich sie finanziell ruiniert hatte.
Ich markierte mein erstes Tor für Fulham im FA -Cup gegen Watford kurz nach meinem 22. Geburtstag und revidierte es prompt eine Woche später mit einem Eigentor gegen Birmingham City. Aber der Höhepunkt meiner überschaubaren Liaison mit dem Tor war ohne Zweifel mein zweites Eigentor.
Wir maßen uns im September 2005 im Ligapokal mit dem Viertligisten Lincoln City. Einige Reservespieler durften sich bewähren, weshalb ich den Nachmittag zunächst auf der Ersatzbank verbrachte. Neun Minuten vor Ende der Partie führten wir 2:1. Cookie brachte mich ins Spiel, um die Abwehr zu festigen und mit der Auswechslung ein wenig Zeit zu vertrödeln.
Ich trat ins Spielfeld und musste schon laufen. Lincoln griff über unseren linken Flügel an. Ich sprintete auf der anderen Spielfeldseite in unseren Strafraum zurück, Lincoln flankte, ich war im vollen Lauf und konnte den heransausenden Ball weder kontrollieren noch ihm ausweichen. Er sprang gegen meinen Fuß und in unser Tor.
Ich war zehn Sekunden im Spiel gewesen, ich hatte den Ball zum ersten Mal berührt. Ich hatte unseren Sieg absichern sollen und uns mit dem 2:2-Ausgleich eine dreißigminütige Verlängerung eingebracht, in einem Spiel, in dem es auch darum ging, so wenig Kraft wie möglich für die Premier League zu verschwenden. In der Verlängerung gingen wir 4:2 in Führung, aber Lincoln glich erneut mit zwei Toren zum 4:4 aus. In der letzten Minute der Verlängerung erzielten wir das 5:4. Im Fußball kann man auf die verschiedenste Art berühmt werden, und ich fühlte, ich hatte es gerade auf einzigartige Weise geschafft.
Mein erster Treffer ins richtige Tor in der Premier League entsetzte meine Freunde allerdings nicht weniger als das Eigentor. «Volzy, was war das denn?», fragte Leddy. «Das war ja furchtbar! Sollte dir noch einmal ein Tor gelingen, was ich bezweifle, musst du das gelernt haben.» Er redete nicht vom eigentlichen Tor gegen Aston Villa, sondern von meinem Jubel danach. Ich hatte doch keine Ahnung, was man tat, wenn man ein Tor geschossen hatte.
Gleich kommt die Zunge raus: Ich überlege nach meinem Treffer gegen Chelsea noch, wie man Tore bejubelt.
Es war mittlerweile Herbst 2006, volle drei Jahre nach meinem Premier-League-Debüt, anderthalb Jahre nach meinem bis dahin einzigen Treffer für Fulham im FA -Pokal gegen Watford. Ich war selbst mehr überwältigt als erfreut von meinem Tor. Ohne zu wissen, was ich tat, rannte ich vom Fußballplatz und streckte dabei die Zunge heraus. Dann stolperte ich über meine eigenen Beine. Ich sah aus wie ein Frosch, der nicht mehr richtig hüpfen kann.
Ab sofort werde er als mein offizieller Torjubel-Koordinator fungieren, verkündete Leddy.
Ich hatte ihn über Freunde kennengelernt, ein Investmentbanker, der immer etwas zu viel Energie hatte. Was er beruflich genau tat, erschloss sich mir wie so oft bei Leuten aus der Finanzwelt nicht, irgendetwas mit Hedgefonds. Er schien nie Unterlagen zur Arbeit zu
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