Unser Mann in London
Solltest du nicht doch ein bisschen genauer auf die Ernährung, auf diese Omega-Megasäuren achten?
Mit diesem Gedanken ging ich in die Küche und buk mir, natürlich nur zur Entspannung, einen wunderbaren Schokoladenkuchen mit viel Sahne.
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Dreizehn Ein lustiger Deutscher
Nach einer Dreiviertelstunde setzte der Po-Schmerz ein. Der ungepolsterte Sattel rieb und drückte, mein Hintern brannte, und ich sah schon die Schlagzeilen der Boulevardzeitungen am nächsten Morgen vor mir: «Volz wegen spektakulärer Verletzung nicht im Training. Er ruinierte seinen Po.»
Ich hatte die gut 15 Kilometer vom Trainingszentrum Motspur Park nach Fulham auf meinem Klapprad zurückfahren wollen, es war Sommer, die Sonne schien, die Saisonvorbereitung lief. Ich dachte, ein bisschen mehr Bewegung kann nicht schaden, und die 3,10 Pfund für das Bahnticket zu sparen, ist auch nie schlecht. Dann war ich übermütig geworden. Ich genoss den Fahrtwind und den Blick auf meine Stadt vom Rad; ach, sagte ich mir, ich fahre noch schnell in Ham beim deutschen Bäcker vorbei und hole Brot. Es war ein Umweg von dreißig Minuten, und ich hätte es wissen müssen: Bei 45 Minuten lag die Schmerzgrenze, mehr ging auf dem Klapprad nicht, mehr ging auf den Po.
Hinter Ham schienen mich die Autofahrer komisch anzustarren. Ich radelte die verbleibende halbe Stunde nach Hause durchweg im Stehen.
Als Kind hatte ich nie ein leichtgängiges Fahrrad besessen, oder vielleicht hatte ich meine Fahrräder auch immer nur so miserabel behandelt, dass sie rostig und schwerfällig wurden. Ich genoss es mit kindlicher Freude, endlich einmal ein ultraleichtes, elegantes Rad zu fahren, ein pantherschwarzes Trek F600. Autofahren hatte mich nie begeistert, und im Dickicht des Londoner Verkehrs war es richtiggehend zur Belastung geworden. Ich radelte zum Biologieunterricht in die Schule und gelegentlich auch zu den Premier-League-Spielen. Von unserer Wohnung waren es nur zehn Minuten zum Stadion. Ich klingelte die Fans aus dem Weg.
Nach einigen Monaten war mein Fahrrad bekannter als ich.
Mein berühmtes Klapprad hat einen Fototermin. Ich darf auch mit aufs Bild.
«Wenn das nächste Mal wieder jemand über diese ach so verzogenen und viel zu gut bezahlten Fußballprofis herzieht, denken Sie an Moritz Volz», begann ein Porträt von mir in der
Times
. «In der Welt der Range Rovers fährt er mit dem Klapprad zu Heimspielen.»
Na ja, so oft fahre ich auch nicht mit dem Rad, entgegnete ich, als mich der nächste Journalist darauf ansprach. Aber die Relativierung wollte keiner mehr hören.
«Wir möchten Sie gerne in unsere Sportsendung einladen», sagte der Fernsehredakteur am Telefon, «aber bringen Sie Ihr Fahrrad mit!»
«Können Sie irgendwelche Tricks?», fragte mich das Fußballmagazin
Four-Four-Two
. «Also, auf dem Fahrrad, meine ich: den Bunny Hop vielleicht?»
«Pedalen-Power!», schrie die Überschrift eines Porträts in der Zeitschrift
Match
.
In der Fernsehsendung
World Cuppa
auf
itv
musste ich demonstrieren, wie schnell ich das Klapprad auseinanderfalten konnte. In zehn Sekunden schaffte ich es immer. Wenn die Klappstellen gut geölt waren, ging es auch mal unter fünf Sekunden.
Der Sender
SkySports
ging mit mir vor dem FA -Cup-Spiel gegen Tottenham Hotspur auf die «Straße nach Wembley», wo das Endspiel stattfinden würde. Wir machten das Interview, während wir von Fulham nach Wembley radelten. Leider mussten wir ein bisschen schummeln. Zwischendrin fuhren wir Teile der Strecke im Auto. Der Moderator Geoff Shreeves machte auf dem Rad schlapp.
Meine Berühmtheit als Radfahrer stand in keinem Verhältnis mehr zu meinen gelegentlichen Fahrradfahrten, aber ich erinnerte mich an das Motto meines Vaters: «Hauptsache, die Pointe ist gut!» Ich warb in Interviews dafür, dass Klappradrennen in London 2012 unbedingt olympisch werden müsste.
Mit ein wenig Ernst betrachtet, offenbarte der Wirbel um mein Klapprad, welch krudes Bild sich die Öffentlichkeit von einem Profifußballer gemacht hat. Man traut ihm das Alltägliche nicht mehr zu. Er fährt Fahrrad! Er kocht! Er liest sogar ein Buch!
Das genügt schon, um als Profifußballer als
anders
, als besonders zu gelten.
Ich hätte nun in jedem Interview grimmig den Finger heben können: «Sooo viel fahre ich gar nicht Fahrrad.» Die Zeitungsartikel hätten sich vermutlich trotzdem mehr meinem Fahrrad als meinem Fußballspiel gewidmet. Stattdessen spielte ich das Spiel mit
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