Unser Sommer in Georgia
denselben Sand und kauften alle ihre Eistüten am Kiosk neben dem Holzsteg. Was für diese Familien flüchtig war wie ein Traum, war für Maisy einst Heimat gewesen. Doch das war lange her.
Wenn am Wochenende vor dem Memorial Day die Autos in die Stadt rollten, klatschten und tratschten die drei Schwestern über die Familien und machten Witze über die albernen Namen, die sie ihren Ferienhäusern gegeben hatten.
»Ah, die verrückten Whitmans sind da. Ob ihre Tante wohl wieder nackt im Pool vom Country Club badet?« Adalee kicherte.
»Und die Murphys sind wiedergekommen, die wilden Brüder ... Ob Danny auch dabei ist, oder ob er auf einer Schule für Schwererziehbare gelandet ist?«, meinte Riley.
Maisy und ihre beiden Schwestern brauchten keine Filme; sie hatten die Sommergäste, ihre Geschichten und Geheimnisse: welche Frauen ihre Männer betrogen, wenn diese während der Woche zur Arbeit fuhren; wessen »vorbildliche« Sprösslinge bei den Jungs im Städtchen Haschisch kauften; wessen Mutter schon um zehn Uhr morgens einen Scotch auf Eis brauchte.
Für die Urlauber bildeten sie immer eine Einheit - die Schwestern Sheffield. Damals war Maisy ihrer großen Schwester überallhin gefolgt. Ja, sie war Riley richtig nachgelaufen. Während das Flugzeug landete, erinnerte Maisy sich an die Nacht, in der ihre kleine Schwester Adalee geboren wurde und sie Riley in den Wald gefolgt war.
Zehn und neun Jahre alt waren sie gewesen, als sie vom Schlafzimmerfenster aus zugeschaut hatten, wie Mama und Daddy in ihrem Ford-Kombi in die Klinik aufgebrochen waren.
»Jetzt sind wir ganz allein. Aber wir dürfen doch nicht allein im Haus sein. Nie«, flüsterte Maisy ihrer älteren Schwester zu, die immer wusste, was zu tun war, wo man hingehen, wie man sich verhalten musste.
»Nein.« Riley legte Maisy die Hand auf die Schulter. »Sie lassen uns nicht allein im Haus. Sie holen Harriet. Bestimmt ist Harriet schon unterwegs.«
Die Schwestern duckten sich unter Rileys Bettdecke und warteten. Doch der Abend ging in die Nacht über, ohne dass Harriet auftauchte. Maisy sprach die furchtbaren Worte schließlich aus: »Sie haben uns vergessen.«
»Nein«, erklärte Riley mit einer Gewissheit, um die Maisy sie beneidete. Sie selbst war sich nie irgendeiner Sache sicher, sie schwankte immer.
Die Zeit verstrich, und schließlich warf Riley die Decke fort. »Lass uns gehen! Wir dürfen nicht ohne einen Erwachsenen im Haus bleiben. Mama und Daddy haben gesagt, das ist sehr gefährlich.«
»Wo wollen wir denn hingehen?« Maisy unterdrückte die Schluchzer, die aus ihrem Bauch aufsteigen wollten. Sie baute darauf, dass Riley wusste, was zu tun war.
»Raus. Wir gehen nach draußen. Wir dürfen einfach nicht allein hier im Haus sein.«
Maisy hatte sich in ihrem Elternhaus oft allein gefühlt, selbst wenn Daddy und Mama im Wohnzimmer saßen und lasen oder redeten. Wenn Mama um fünf Uhr nachmittags ihren ersten Martini trank und darauf wartete, dass Daddy nach Hause kam, wanderten ihre Gedanken anderswohin. Daddy arbeitete auf der eine Stunde entfernten Militärbasis und war oft beruflich unterwegs. Seine Abwesenheit war ebenso greifbar wie seine Gegenwart.
»Wir dürfen doch nicht mitten in der Nacht rausgehen«, sagte Maisy verzagt, während panische Angst ihr die Kehle zuschnürte.
»Wir dürfen hier nicht bleiben.« Riley klang so sehr wie ihre Mutter, dass Maisy nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen.
Sie nahmen die Steppdecke von Rileys Bett und schlichen durch die Hintertür in den Wald hinter ihrem Haus. »Warum können wir nicht an den Strand gehen?«, fragte Maisy.
»Weil wir uns verstecken müssen«, erklärte Riley.
»Ja, verstecken.« Maisy begriff.
Als die Polizei am nächsten Morgen die Schwestern fand, eng umschlungen unter einer Steppdecke auf einem Bett aus Piniennadeln, hatte sich bereits die ganze Stadt auf die Suche nach ihnen gemacht. Ihr Vater schaute ihnen von der hinteren Veranda entgegen. Müdigkeit und Sorge hatten sich in sein Gesicht gegraben. »Ihr habt eine neue Schwester«, sagte er. Dann entfernte er sich und ließ Maisy und Riley mit zwei Polizisten allein.
Der größere der beiden sprach als Erster. »Ihr habt eurem Vater einen Mordsschrecken eingejagt. Was habt ihr euch denn bloß dabei gedacht?«
Riley machte einen Schritt auf den Mann zu. »Das ist ganz einfach, Sir. Wir dürfen nämlich nicht allein zu Hause sein.«
Die beiden Polizisten schauten Maisy an, und sie schüttelte den
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