Unser Sommer in Georgia
Kopf. »Nein, das dürfen wir nicht.«
Nun klopfte der eine Polizist Riley auf den Rücken. »Dann bist du also ein braves kleines Mädchen, oder?«
Riley verzog das Gesicht. »Ja, natürlich.«
Gemeinsam gingen Maisy und Riley ins Haus. Maisy griff nach Rileys Hand, und Riley drückte ihre Finger. »Noch eine Schwester. Das wird aber lustig.«
Maisy fragte ihre Eltern nicht, warum sie ihre Töchter in jener Nacht alleingelassen hatten, und das Thema wurde nie wieder angeschnitten. Adalee kam nach Hause, und das Leben ging weiter. Wenn Mama die Geschichte von der Nacht erzählte, in der Adalee geboren wurde, erwähnte sie nie, dass Daddy die Polizei gerufen hatte, damit sie nach den älteren beiden Mädchen suchte; sie erzählte nur von der raschen Geburt und wie tapfer es von ihr gewesen war, keine Schmerzmittel zu verlangen.
Das war die gute Zeit mit meiner Schwester, überlegte Maisy, die Zeit vor dem Verrat.
Inzwischen war Maisy schon viele Jahre von zu Hause fort. Ihre Entschuldigungen dafür, dass sie nie zu Besuch kam, brachte sie normalerweise laut und nachdrücklich vor, aber mittlerweile klangen sie eher wie faule Ausreden. Kalifornien hatte ihr geholfen, sich von Riley und von Palmetto Beach fernzuhalten. Doch die Tatsache blieb: Riley hatte sie verraten, und Maisy hatte sich geschworen, nie wieder mehr mit ihr zu sprechen, als es die familiären Verpflichtungen erforderten. Ihr Zorn auf Riley war nie verraucht.
In den Sommerwochen vor ihrer Flucht nach Kalifornien, gleich nach dem Highschool-Abschluss, während Mama und Daddy vollauf damit beschäftigt waren, das Haus der Logans zu kaufen und den kleinen Brayden zu bewundern, war Maisy viel am Strand entlanggewandert und hatte mit Freunden Partys gefeiert, unglücklich, weil ihre erste große Liebe, Mack Logan, in diesem Jahr nicht zu ihr zurückgekehrt war, wie er versprochen hatte. Der Höhepunkt dieses letzten Sommers in Palmetto Beach war eine Nacht im leeren Driftwood Cottage gewesen - eine Nacht mit Tucker Morgan, dem Verlobten ihrer besten Freundin. In dieser Nacht hatte Maisy ihre Jungfräulichkeit verloren. Vielleicht hatte sie nach einem Vorwand gesucht, um Palmetto Beach zu verlassen; wenn das so war, dann hatte sie sich selbst den besten Vorwand geliefert. Sie hatte etwas Unverzeihliches getan, und das selbst auferlegte Exil war zum Teil Buße und zum Teil einfach Flucht.
Seltsam, sie hatte immer angenommen, ihre Tat würde sie irgendwann einholen. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie eines Tages selbst an den Ort ihrer Schande zurückkehren würde.
Das Flugzeug kam zum Stehen. Maisy ließ allen anderen Passagieren den Vortritt, während sie ihre Sachen einsammelte, und stieg als Letzte aus. Sie zog ihren kleinen Rollkoffer durch den Mittelgang. Im Flughafen machte sie irgendwo Halt, um Peter anzurufen, bevor sie ihrer Schwester gegenübertrat. Ihr Handy lag ganz unten in ihrer Handtasche, und sie setzte sich auf einen Stuhl, während sie es ausgrub. Sie wählte Peters Nummer und hielt den Atem an. Das war immer der Moment, wenn ihr Magen sich zusammenkrampfte und sie rasendes Herzklopfen kriegte. Würde er drangehen? War er gerade mit seiner Frau zusammen und würde so tun, als sei es ein geschäftlicher Anruf? Oder war er allein und konnte die Liebesworte sprechen, die sie jetzt brauchte?
Sie hatte Peter auf einer Cocktailparty zum dreißigsten Geburtstag ihres Freundes Andy kennengelernt. Peter hatte hinter ihr gestanden, und als sie sich umgedreht hatte, war sie direkt in ihn hineingelaufen. Sie hatte in sein Gesicht hinaufgeschaut, um sich zu entschuldigen, und war sprachlos gewesen - nicht weil er der schönste Mann war, dem sie je begegnet war, sondern wegen seines Lächelns. An dem Abend hatten sie stundenlang miteinander gesprochen und danach telefonisch Kontakt gehalten. Dass er verheiratet war, fand sie erst heraus, als sie auf dem Markt beim Obstkaufen zufällig einer Freundin begegnete. Die Freundin erklärte ihr, natürlich habe Peter vor, seine Frau zu verlassen, das habe er überall ausposaunt. Aber bisher habe er sie eben nicht verlassen ... noch nicht.
In den letzten Monaten hatte Maisy mehrmals versucht, diese Beziehung zu beenden, doch sie hatte es nicht übers Herz gebracht. Peter war wie eine Unterströmung - in den Strudeln seiner Worte und Berührungen fing er sie immer wieder ein. Es war schon das zweite Mal, dass Maisy die emotionale Achterbahnfahrt einer Affäre mit einem verheirateten Mann
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